Migrationspolitik

Castellucci: „Die SPD wird zu häufig taktisch wahrgenommen“

Lars Castellucci25. Juni 2019
Lars Castellucci, Migrationspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.
Kann die SPD wieder punkten, wenn sich ihre Politik stärker an den Stimmungen und Erwartungen der Bevölkerungen orientiert? Nein, entgegnet Lars Castellucci, Migrationspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Eine Antwort auf den Beitrag von Richard Hilmer und Ernst Hillebrand

Anhand einer repräsentativen Umfrage der Friedrich-Ebert-Stiftung begründen Richard Hilmer und Ernst Hillebrand auf vorwärts.de das gute Abschneiden der Sozialdemokraten bei den dänischen Parlamentswahlen mit der Bürgernähe der Partei. Damit meinen sie, dass Stimmungen und Erwartungen der Bevölkerung dort stärker mit den Positionen der Partei übereinstimmen, als das beispielsweise der SPD gelinge. Besonders in der Migrationspolitik sei die SPD weit von den Erwartungen der Bürger in Deutschland entfernt. Entsprechend fordern die Autoren eine „stärkere Zuwanderungskontrolle“.

Mit dieser Schlussfolgerung aus der Studie kann ich als migrationspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion nichts anfangen. Bezogen auf die Migrationspolitik erinnere ich an eine andere empirische Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung: In „Pragmatisches Einwanderungsland. Was die Deutschen über Migration denken“ haben sich  über die Hälfte der Befragten positiv zur Aufnahme von Geflüchteten geäußert, Zuwanderung wird von vielen als Chance gesehen. Ebenso wird befürwortet, dass Menschen in Deutschland bleiben sollen, wenn sie sich gut integrieren. Selbst dann, wenn sie eigentlich das Land verlassen müssten.

Kluge Politik statt Taktik

Genau diesen Ansatz hat die SPD zusammen mit Maßnahmen stärkerer Steuerung und Kontrolle in dem jüngst verabschiedeten Gesetzespaket zum Thema Migration auch aufgegriffen. Eine kluge Politik kann also den Anliegen der Bevölkerung  sehr wohl gerecht werden, indem sie Humanität und Sicherheit verbindet, anstatt diese ständig gegeneinander zu stellen. Bei Hillenbrand und Hilmer, ebenso wie etwa bei Äußerungen des früheren Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel nach der Wahl in Dänemark bleibt dagegen völlig unklar, was die konkrete Empfehlung an die SPD ist.

Bürgernähe streben wir alle an. Entscheidend ist allerdings, wie diese Bürgernähe  zustande kommt. Sollte man sich  taktisch an den gegenwärtigen Stimmungen der Bevölkerung ausrichten? Ich finde, die SPD wird viel zu häufig als taktisch handelnd wahrgenommen.

Mit klarer Haltung überzeugen

Die SPD hatte aber immer dann Erfolg, wenn sie nicht danach geschielt hat, was den Leuten gerade gefallen könnte. Eine klare Haltung, deutliche Positionen und Menschen, die beides glaubwürdig vertreten können, das ist aus meiner Sicht notwendig. Es geht gewiss immer auch darum, zuzuhören und neue Entwicklungen aufzunehmen. Aber die die Entspannungspolitik von Willy Brandt wäre damals sicher unmöglich gewesen, wenn man sich einfach an der Meinung in der Bevölkerung orientiert hätte. Brandt und seine Genossen sind damals vielmehr für das, wovon sie überzeugt waren, eingetreten – und haben damit dann auch die Bevölkerung überzeugt.

Wir sollten auch in der Migrationspolitik sachlich und nüchtern herausstellen, was wir leisten und was noch fehlt und woran wir weiterarbeiten. Probleme können und sollen genauso angesprochen werden wie Erfolge. Aber vor allem brauchen die Menschen Orientierung, wo es hingehen soll. Dann überzeugen wir auch wieder.

Eines darf die Partei jedoch niemals tun: Die Probleme der Zeit auf dem Rücken irgendeiner bestimmten Gruppe abladen. Im Gegenteil: Im Gegensatz zu jeder anderen Partei steht die SPD für einen gesellschaftlichen Zusammenhalt, für die Idee, dass sich Menschen verbünden, um gemeinsam stark zu sein. Genau dafür werden wir gebraucht und genau dafür müssen wir viel stärker werben. Manchmal verliert man damit auch Wahlen. Aber wenn wir das aufgeben, verlieren wir uns.

 

Hier geht's zur kompletten Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung "Das pragmatische Einwanderungsland"

weiterführender Artikel

Kommentare

Das Wohl der einheimischen Bürger ist das Ziel

Jegliche Politik in einem Nationalstaat richtet sich am Wohl der eigenen Bürger aus.

Der Amtseid des Bundeskanzlers zeigt dies: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. [So wahr mir Gott helfe].“

Willy Brandt sagte am 18. Januar 1973 in seiner Regierungserklärung nach dem Lob der Leistungen der Gastarbeiter u.a.:

"In unserer Mitte arbeiten fast zweieinhalb Millionen Menschen aus anderen Nationen [..] Es ist aber notwendig geworden, daß wir sehr sorgsam überlegen, wo die Aufnahmefähigkeit unserer Gesellschaft erschöpft ist und wo soziale Vernunft und Verantwortung Halt gebieten."

Die Entspannungspolitik Willy Brandts war übrigens Ausdruck des Friedenswillens der Mehrheit der Bürger, nur so war sie möglich und erfolgreich.

Ernst Hillebrand und Richard Hilmer erkennen aus meiner Sicht die Dinge klarer.

Die Bürger müssen nicht umerzogen werden, wie dies hier bei Lars Castellucci anklingt.

Legale und ILLEGALE Migration hatten wir schon IMMER!

Wenn jedoch zu den "echten" Flüchtlingen gemäß Art 1 GFK zusätzlich(!!!) ILLEGALE(!!) Migranten, die überhaupt KEINE echten Flüchtlinge gemäß Art 1 der GFK sind, EBENFALLS wahrheitswidrig öffentlich als Flüchtlinge ausgegeben werden, dann ist etwas faul nicht nur im Staate Dänemark!

Und zwar oberfaul!!

wenn sie, also die SPD,

denn überhaupt noch wahrgenommen wird, soll mir die Einschränkung - taktisch- recht sein.

das Problem ist doch die inhaltliche Beliebigkeit, die ihren Widerhall findet im beliebigen Tausch des Spitzenpersonals. Brandt ist ca 10 Jahre lang erfolglos angetreten, bis es dann 1969 reichte.

Kein Wunder, dass sich niemand mehr traut, den Hut in den Ring zu werfen. Hut ab für Gesine Schwan- sie verdient unsere uneingeschränkte Unterstützung

"Die SPD wird häufig taktisch

"Die SPD wird häufig taktisch wahrgenommen" Es ist nicht die Tatik sondern vielmehr wird das derzeitige Frontpersonal von der Bevölkerung als unglaubwürdig wahrgenommen. Die Glaubwürdigkeit wieder herzustellen ist eine Kerkulesaufgabe und nicht von heute auf morgen und ausschließlich mit geeigneten Führungspersonlichkeiten zu bewältigen. Frau Schwan könnte sicher einen guten Beitrag leisten.

Wenn ein Busfahrer immer wieder seine Fahrgäste nicht zum zum gewünschten Ziel fährt, sondern einen anderen Weg einschlägt, dann steigen die Fahrgäste aus und nehmen die Dienste des Busunternehmes nicht mehr in Anspruch. Reicht es denn da nur den Busfahrer auszuwechseln? Ich meine nicht, sondern das Unternehmen mit samt den leitenden Mitarbeitern als solches gehört auf den Prüfstand.

Es wäre angebraucht, mal in den dritten und vierten Reihen nach geeignetem und gut ausgebildetem Führungspersonal (unabhängig vom Geschlecht) zu suchen.

Mutig am Faktischen orientieren !!!

Die SPD sollte sich problemlösungbezogen am Faktischen orientieren, nicht mit Reoaratur- , Pflaster- u. Placebopolitik sondern die grundliegenden Fehlentwicklungen langjähriger GROKO-Episoden die die Bevorteilung von Gewinnmaximierern und Big-Player der Wirtschaft in den Vordergrund gestellt hat, ohne Rücksicht auf soziale,ökologische, klimatische, geslschagftlichen üblen Folgen. Da helfen keine teuren Kampagnen, kein Schönreden und da hilft kein Erklären, da hilft nur Haltung, mutige Neuausrichtung und konsequentes Handeln. Best-Practice-Projekte abseits von Gewinnmaximierung gibt es zu sehen, wenn SPD-Führung nur mal geneu hinschauen würde !
in der Sendung "Lebenszeit" mit Hörerbeteiligung wurde ein Projekt aus München vorgestellt wo junge Zugewanderte teil eines Netzwerkes sind, dass Senioren unterstützt die möglichst lange in ihren gewohnten 4 Wänden leben wollen! So geht Integration und so geht bezahlbares Leben in hohem Alter. WIN/WIN ! Schön wenn unsere SPD ähnlich innovativ wäre ! Einfach mal genauer hinschauen/hinhören !
https://www.deutschlandfunk.de/gesellschaftliches-phaenomen-immer-mehr-m...