
Der Hanfverband, der als Interessenvertretung für eine Legalisierung von Cannabis eintritt, hat sich im Rahmen der Koalitionsverhandlungen zu Wort gemeldet. Konkret geht es um Steuereinnahmen, die dem Staat winken, sollte der Konsum des Rauschmittels legal werden. Denn schließlich könnte das Rauschmittel dann versteuert werden, neue Arbeitsplätze im Anbau, Handel und Vertrieb könnten entstehen und obendrein könnten Polizei und Justiz entlastet werden, wenn der Cannabis-Handel dem Schwarzmarkt und damit der Illegalität entzogen würde.
All das zusammengenommen rechnet der Hanfverband deswegen mit Einnahmen in Höhe von 4,7 Milliarden Euro pro Jahr für den Staat. Errechnet hat das „Dice“, das „Düsseldorf Institute for Economics“. Die Rechnungen basieren grundsätzlich auf einer Studie im Auftrag des Hanfverbands aus dem Jahr 2018, die Zahlen wurden aber nun vom Institut noch einmal aktualisiert und neue belastbare Daten eingearbeitet, unabhängig von dem ursprünglichen Auftraggeber, wie Hanfverbands-Geschäftsführer Georg Würth am Dienstagmorgen erklärte. Hauptautoren der Studie sind der Ökonom Justus Haucap und sein Mitarbeiter Leon Knoke.
1,8 Milliarden Euro über Cannabis-Steuer
1,8 Milliarden Euro könnte der Staat demnach allein über eine Cannabissteuer einnehmen, über Lohn- Umsatz- und Körperschaftssteuer auf den neuen Wirtschaftszweig könnte noch einmal rund eine Milliarde zusammenkommen. Auf diese Zahlen kommen Haucap und Knoke anhand von Umfrage-Ergebnissen zum Verhalten der Konsument*innen sowie Werten aus Nachbarländern, die bereits vor längerer Zeit Cannabis legalisiert haben. Hinzu kämen eingesparte Kosten für Polizei-Einsätze, Strafvollzug und Gerichtsverfahren sowie Beiträge in die Sozialversicherungen, wenn Anbau und Vertrieb dem Schwarzmarkt entzogen wären. Wenn die Menschen also auf legalem und kontrolliertem Weg Cannabis anbauen und verkaufen würden, enstünden in dem Bereich sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze und Steuergelder flössen zurück an den Fiskus.
Neu in den Berechnungen seien die Kosten für Justiz und Strafverfolgung, wie Haucap erklärt. „Dazu hatten wir bisher keine Daten.“ Er weist auf die Ungenauigkeiten der Berechnungen hin, da es zum Cannabis-Konsum zwar Umfragen, aber keine absoluten Zahlen gibt. Seine Empfehlung an die Politik, um die Einnahmen wirklich zu realisieren: ein flächendeckender Handel mit moderaten Cannabis-Preisen, um die Nachfrage auf legalem Weg zu befriedigen. „Bei 10 Euro pro Gramm könnte der Staat 4,50 Euro an Steuern erheben“, rechnet er im Vergleich zum geschätzten Schwarzmarkt-Preis von Cannabis vor. Ein Preis, der nach seinen Berechnungen auch für den neuen Wirtschaftszweig rentabel wäre.
SPD, FDP und Grüne wollen Konsum entkriminalisieren
SPD, FDP und Grüne haben sich im Wahlkampf grundsätzlich für eine Form der Legalisierung des Cannabis-Konsums eingesetzt – in jedem Wahlprogramm finden sich entsprechende Passagen. Daraus schöpft auch der Hanfverband seine Hoffnung für eine baldige, flächendeckende Legalisierung. Allerdings: In dem Sondierungspapier, der Grundlage der gegenwärtigen Koalitionsverhandlungen, steht zu dem Punkt nichts. Anders als der Hanfverband setzte die SPD sich im Wahlprogramm dafür ein, die Legalisierung zunächst in Modellstädten zu erproben.
Das hält den Lobbyverband nicht davon ab, sich eindeutig zu positionieren – und zielt mit den Steuereinnahmen auf einen wichtigeren Punkt in den Koalitionsverhandlungen: die Finanzierung des Staatshaushalts. Während die FDP im Wahlkampf Steuersenkungen für alle versprach, warben SPD und Grüne für notwendige Investitionen im Kampf gegen den Klimawandel, die finanziert werden müssten – die Sozialdemokrat*innen pochten gleichzeitig auf sozialen Ausgleich bei finanziellen Belastungen für Menschen mit schmalem Geldbeutel. Sie forderten deswegen auf Steuererhöhungen für Besserverdienende und Entlastungen für Menschen mit niedrigerem Gehalt.
Cannabiskonsum als gesellschaftliche Realität
Ein Teil der Mehreinnahmen könnte für Aufklärung und Gesundheitsprävention ausgegeben werden, dafür plädiert auch der Hanfverband. Verboten oder nicht – und das betonen der Hanfverband und SPD-Politiker*innen: Cannabiskonsum ist gesellschaftliche Realität in Deutschland, die bisherige Verbotspolitik habe den Konsum nicht gesenkt. Entsprechend wäre es wichtig, für den Konsum legale und sichere Wege zu finden, erklärt beispielsweise SPD-Politiker Burkhardt Blienert im „vorwärts“. Er plädiert für kontrollierte Verkaufswege, damit Cannabis nicht mehr mit anderen Substanzen gestreckt und verunreinigt werden könne.