Nach Blockade in Sachsen-Anhalt

Bundesverfassungsgericht erhöht Rundfunkbeitrag – Rüffel für Haseloff

Christian Rath05. August 2021
Vom Bundesverfassungsgericht zurechtgewiesen: Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt  (CDU).
Vom Bundesverfassungsgericht zurechtgewiesen: Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt (CDU).
Das Bundesverfassungsgericht beanstandet die von Sachsen-Anhalt blockierte Erhöhung des Rundfunkbeitrags und ordnet die Anhebung einfach selbst an. Die Blockade der von Reiner Haseloff (CDU) geführten Landesregierung war demnach verfassungswidrig.

Nun steigt der Rundfunkbeitrag also doch. Das Bundesverfassungsgericht hat die Weigerung des Landes Sachsen-Anhalt, einer Erhöhung des Beitrags von 17,50 Euro auf 18,36 Euro zuzustimmen, für verfassungswidrig erklärt. Als „Zwischenregelung“ hat das Gericht den Beitrag nun selbst auf 18,36 Euro erhöht.

Eigentlich hatten die Bundesländer schon 2020 beschlossen, dass der Rundfunkbeitrag zum Jahreswechsel von 17,50 Euro um 86 Cent auf 18,36 Euro pro Monat und Wohnung steigen soll. Dem entsprechenden Staatsvertrag haben 15 Landtage zugestimmt, zum Schluss fehlte nur noch Sachsen-Anhalt.

Im Magdeburger Landtag gab es jedoch keine Mehrheit für die Beitragserhöhung, weil die Fraktionen von CDU und AfD dagegen waren. Damit die CDU nicht mit der AfD gemeinsam mit „Nein“ stimmen muss, zog Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) Anfang Dezember den Gesetzentwurf einfach zurück. So rettete die CDU zwar ihre damalige Koalition mit SPD und Grünen. In der Sache wirkte dies aber wie ein „Nein“ aus Sachsen-Anhalt. Die Beitragserhöhung war damit politisch gescheitert.

Klage der Öffentlich-Rechtlichen erfolgreich

Sofort erhoben nun ARD, ZDF und Deutschlandradio Klage beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Das Gericht solle den Landtag verpflichten, der Beitragserhöhung doch noch zuzustimmen. Zwar lehnte das Gericht Ende Dezember eine einstweilige Anordnung ab. Doch haben die Richter*innen nun relativ schnell in der Hauptsache für Klarheit gesorgt.

Wie der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts nun entschied, hat Sachsen-Anhalt den Anspruch der öffentlich-rechtlichen Sender auf „funktionsgerechte Finanzierung“ verletzt. Das Land habe die Beitragserhöhung „ohne tragfähige Begründung“ blockiert.

Die Verfassungsrichter*innen nutzten den Beschluss zunächst, um noch einmal die Notwendigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu bekräftigen. Dieser sei angesichts der unüberschaubaren Meinungsvielfalt im Internet nicht überflüssig geworden, sondern im Gegenteil wichtiger denn je. Angesichts von einseitigen Filterblasen und Fake News im Netz sei qualitativ hochwertiger Journalismus als „vielfaltsicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht„ erforderlich.

Verfahren für Beitragserhöhung bestätigt

Die Richter*innen bestätigten auch das in früheren Urteilen von 1994 und 2007 vorgegebene dreistufige Verfahren für Beitragserhöhungen: Zunächst müssen die öffentlich-rechtlichen Sender ihren Bedarf anmelden. Dann wird dieser Bedarf durch die unabhängige "Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten" (KEF) geprüft. Die KEF-Empfehlung ist dann Grundlage für die eigentliche Entscheidung durch die Länder.

Die Länder dürfen zwar von der KEF-Empfehlung abweichen, so das Gericht. Zulässig sind dabei aber nur sozialpolitische Argumente, etwa eine drohende Überforderung der Beitragszahler*innen. Kritik an der Struktur der Sender oder am Inhalt der Programme darf bei der Beitragsfestsetzung keine Rolle spielen. Die Sender sind so zu finanzieren, wie sie derzeit rechtlich vorgesehen sind.

Das ist ein klarer Hinweis Richtung Sachsen-Anhalt, wo gerade der Koalitionsvertrag für eine neue CDU-SPD-FDP-Koalition ausgehandelt wird. Bisher soll es dort heißen, dass Sachsen-Anhalt künftigen Beitragserhöhungen nur zustimmen werde, wenn es "strukturelle Reformen" des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gebe. Diese Argumentation hat Karlsruhe nun als eindeutig unzulässig eingestuft.

Änderungen nur im Konsens der Länder

Doch auch wenn Sachsen-Anhalt ein Veto auf die Corona-Belastungen der Bürger*innen stützen würde, könnte es weitere Beitragserhöhungen kaum noch verhindern. Die Richter*innen stellten nämlich fest – und das ist die eigentliche Innovation dieser Entscheidung – dass nur alle Länder gemeinsam von der KEF-Empfehlung abweichen können. Falls nur Sachsen-Anhalt sozialpolitische Einwände hat, muss das Land dennoch zustimmen. Die Richter*innen begründen das mit der „föderalen Verantwortungsgemeinschaft“ für die Finanzierung des Rundfunks.

In einer Vollstreckungsanordnung erhöhten das Gericht den Rundfunkbeitrag nun selbst (ab 20. Juli) auf die geplanten 18,36 Euro. Das Datum „20. Juli“ war der Tag der internen Schlussabstimmung im Gericht. Diese Zwischenregelung wird so lange gelten, bis die Länder per Staatsvertrag einen neuen Beitrag festsetzen. Dies wird vermutlich bald der Fall sein, weil das Gericht den Sendern auch einen Anspruch auf „Kompensation“ für die unterbliebene Beitragserhöhung der letzten Monate gewährte. Die KEF wird im Februar ihren nächsten Bericht veröffentlichen.

Das Karlsruher Urteil fiel einstimmig. Federführend war Ines Härtel, die erste Verfassungsrichterin mit ostdeutscher Biografie, die voriges Jahr von Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) durchgesetzt worden war.
 

weiterführender Artikel

Kommentare

Der ÖRR ist notwendig

Nur muss er nicht so riesengross sein, wie er in Jahrzehnten geworden ist. Man gucke da mal auf die Anfänge. Durch moderne Technik benötigt man sicherlich nicht diesen riesengrossen Apparat. Dazu kommt, dass der ÖRR mittlerweile fürstlich bestallte Intendanten, Direktoren, Moderatoren ... hat. Das genau müssen die Bürger bezahlen. Da braucht niemand mit dem Scheinargument zu kommen, dass die Gehälter anderswo eben auch so hoch seien. Der ÖRR soll Informationen verbreiten und nicht ein Absicherungswerk fürstlich bestallter Intendanten, Direktoren, Moderatoren ... sein. Wer glaubt, dass er dort nicht gut genug bezahlt würde, kann seine Dienste gerne auf dem freien Markt anbieten.

Die Anfänge...

Unabhängig von der übrigen Kritik: Als der ÖRR startete, gab es nur eine überschaubare Anzahl von Radio- und Fernsehsendern, kein Internet, keine Sozialen Medien, keine unübersichtliche Anzahl an Blogger*innen, Influencer*innen, keine Smartphones, keine Tablets. Die Medienwelt war damals wesentlich übersichtlicher.

Insofern ist die Begründung, der ÖRR müsse heute nicht so groß sein, weil er nach dem zweiten Weltkrieg ja auch nicht so groß war, ist dann doch ein wenig schräg, oder nicht?

Beste Grüße

Man könnte nun

den deutschen ÖRR mit dem Italiens, Frankreichs oder des UKs vergleichen, da zeigen sich manche Überraschungen. Es reicht allerdings, wenn man sich bei jedem Sender des ÖRR die Strukturen und Einrichtungen anguckt, vieles ist nämlich mehrfach vorhanden. Das müsste schon bei den in der ARD zusammengschlossenen Sendern gar nicht sein. Dann hätte man auch nicht zig verschiedene lokale Einrichtungen des ÖRR. Durch moderne Technik erübrigt sich ohnehin einiges. Denkbar wäre bspw. auch eine einzige Intendantur für alle ARD-Sender und eben auch Senderdirektionen usw. usf. Das Ausmass des ÖRR zeigt sich übrigens auch, wenn man auf die Tausenden freien Mitarbeiter des ÖRR guckt, die nicht in der Personalstatistik auftauchen, weil sie externe Mitarbeiter sind.

quatsch mit

Soße , in jeder Kleinstadt gab es mehrere Zeitungen, sehr unübersichtlich, das ganze

es glaube niemand, der

ÖRR sei sankrosankt. Seine Akzeptanz steht in weiten T3eilen der Bevölkerung -gelinde gesagt- auf der Kippe. Wer kritiklos Position ergreift pro ÖRR, stellt sich also gegen große Teile der B4evölkerung. Dies sei all den Genossen gesagt, die jetzt mal wieder mit überbordender Kurzsichtigkeit meinen auf den politischen Gegner- hier die CDU in SA- eindreschen zu müssen. Nur weil sich die SPD in den Strukturen des ÖRR noch wiederfindet, ist sie doch nicht aus dem Schneider. Beachtlich ist der an der Nachfrage (Einschaltquoten, Anzahl der verträge von kommerziellen Anbietern....) zu messende stetige Verlust intresse an dem, was uns hier geboten wird. MORD MIT AUSSICHT, auf allen Programmen und in der Mediathek. Warum ? Die einzige Spitzenleistung der letzten 10 Jahre- sonst ist nichts verwertbares nachgeblieben. Also , mach euch nicht allzu gemein mit den Leuten des ÖRR- auf deren Meinung kann es hier nicht ankommen, die finden sich klasse und wähnen sich an der Weltspitze. Das würde ich an deren Stelle auch tun, denn sonst kommt noch jemand auf die Idee, die Angemessenheit der Saläre in Frage zu stellen

ÖRR

Nun sollen die qualitativ recht guten Politmagazine abgespeckt und Richtung Mitternacht verbannt werden, dafür sollen die Laberrunden (Talkshows) gestärkt werden. In den Nachrichtensendungen wedern Nachricht und Kommentar vermischt - ist das jetzt Journalismus ? Damals, also früher, da gab es einen Gerhard Löwenthal und einen Klaus Bednarz - diese Menschen vertraten Standpunkte, über die man diskutieren konnte, heutzutage: Wischiwaschi.
Tja, die Gehälter: Muss das Gehalt von diesen Funk- und Fernsehoberen wirklich größer sein als das der Bundeskanzlerin ?