Der globale Kampf gegen die Pandemie

Brasilien, Argentinien, Mexiko: Gemeinsam zu eigenen Coronaimpfstoffen

Svenja Blanke04. Februar 2022
Im August wurde vielen tausenden Corona-Toten in Argentinien gedacht – inzwischen forscht das Land an eigenen Impfstoffen.
Im August wurde vielen tausenden Corona-Toten in Argentinien gedacht – inzwischen forscht das Land an eigenen Impfstoffen.
In Südamerika wird mit allen verfügbaren Corona-Impfstoffen gearbeitet. Einigen Ländern reicht das nicht: Brasilien, Mexiko und Argentinien kooperieren bei der Produktion von AstraZeneca und Sputnik V vor Ort, auch eigene Impfstoffe sind in Planung.

Die Impfquote Südamerikas ist unter den höchsten weltweit. Chile ist mit 86 Prozent vollständigen Impfungen Spitzenreiter, gefolgt von Uruguay, Argentinien und Ecuador. Bei den Erstimpfungen kommen die Länder sogar auf Quoten von über 90 Prozent. Die Region, die während der Pandemie mit sehr hohen Infektions- und Todesraten zu kämpfen hatte, legte 2021 einen bemerkenswerten Impfmarathon hin. Um den enormen Bedarf abzudecken, wird mit allen existierenden Impfstoffen aus dem Westen, aus China und aus Russland gearbeitet. Seit dem Jahreswechsel lässt Omikron die Inzidenzen wieder in die Höhe schnellen – allein in Argentinien von einer 7-Tage-Inzidenz von 57 Mitte Dezember zu 1720 einen Monat später.

Von geopolitischer Relevanz ist in diesem dritten Coronajahr die Impfstoffproduktion in Ländern des Globalen Südens. Einige machen sich auf, eigene Impfstoffe zu produzieren. Der karibische Inselstaat Kuba geht wie häufig einen Sonderweg: Er hat bereits verschiedene Impfstoffe entwickelt, selbst angewandt und mit über 90 Prozent die höchste Impfquote aller lateinamerikanischen Länder. Doch was passiert in der Region jenseits des kubanischen Sonderwegs?

Brasilien, Mexiko und Argentinien kooperieren

2021 begannen die drei größten Länder Lateinamerikas – Brasilien, Mexiko und Argentinien –, Komponenten des Produktionsprozesses existierender Impfstoffe herzustellen. Argentinien ließ als erstes lateinamerikanisches Land den russischen Impfstoff Sputnik V zu und startete damit Ende 2020 seine Impfkampagne. Mittlerweile wurden 20 Millionen Dosen Sputnik im Land verimpft. Teile der europäischen und russischen Impfstoffherstellung wurden nach Argentinien, Mexiko und Brasilien verlagert – auch dank des proaktiven Vorgehens der Länder, durch das sie die Produktion mittels Abkommen mit den marktführenden Laboren in die Region holen konnten.

Das argentinische Pharmazieunternehmen Richmond in der Nähe von Buenos Aires hat über ein Technologietransferabkommen mit dem Russischen Direkt-Investment-Fonds (RDIF) die Filtration des Wirkstoffs aus Russland sowie die Abfüllung, Fertigstellung und Verpackung der Sputnik-Impfstoffe übernommen. Bis Januar 2022 wurden hierdurch bereits 6,5 Millionen Dosen produziert. Diese Strategie ermöglichte es, den lokalen Bedarf schneller abzudecken. Gleichzeitig wird eine neue Produktionsanlage der Firma im Großraum Buenos Aires gebaut mit dem Ziel, dort den gesamten Prozess von der Wirkstoffproduktion bis zur Verpackung zu ermöglichen. Bis zu 400 Millionen Impfdosen pro Jahr sollen – auch für den Export – hergestellt werden.

Die Herstellung von AstraZeneca durch die Labore mAbxience aus Argentinien und Liomont aus Mexiko konnte 2021 nur verzögert starten, da die USA aufgrund nationaler Interessen zunächst den Export des Wirkstoffs verhinderten. Mittlerweile haben die beiden Labore zusammen 70 Millionen Dosen produziert und in der Region verteilt. Es sollen wesentlich mehr folgen.

Eigene Impfstoffe in klinischen Studien

Doch dies ist nur ein Teil der argentinischen Strategie. Argentinische Labore und akademische Forschungsinstitute, unterstützt vom Staat, entwickeln bereits eigene Impfstoffe gegen Covid. Die vier aussichtsreichsten Projekte heißen ARGENVAC, ARVAC, COROVAXG.3 und „Spinetta“. Sie entstammen verschiedenen argentinischen Public Private Partnerships und befinden sich entweder in der vorklinischen oder klinischen Testphase mit dem Ziel, diese Impfstoffe 2023 auf den Markt zu bringen.

Die argentinische Regierung unter Präsident Alberto Fernández betont die Bedeutung der „Souveränität“ und Unabhängigkeit von den existierenden Marktführern. Und natürlich ist die Produktion vor Ort und regionale Verteilung auch notwendig, um die globale Ungleichheit beim Zugang zu Impfstoff zu reduzieren. Argentinien hat bisher 1,7 Millionen Dosen innerhalb der Region gespendet. Die Diskussion über die Freigabe der Patente dreht sich im Kreis. Die COVAX-Initiative bleibt weit hinter den Erwartungen zurück. Währenddessen sorgt die lokale Impfstoffentwicklung und -produktion in denjenigen Ländern des Globalen Südens, die eine entsprechende Infrastruktur bereits vorweisen oder aufbauen können, für eine wesentlich vielversprechendere geopolitische Strategie für globale Gesundheit.

Dieser Artikel erschien zuerst im IPG-Journal.

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Kommentare

Impfstoffe

Die Länder Lateinamerikas (ebenso wie die Afrikas) sind gezwungen eigene Impfstoffe zu entwickeln, da die Patente für die in D (und anderswo) entwickelten ja nicht frei gegeben werden. Die spricht für eine erhebliche Arroganz der Lander der Wertegemeinschaft und deßhalb wünsche ich den Wissenschaftlern und Medizinern in diesen Ländern großen Erfog bei der Entwicklung eines langfristig und gut wirkenden Vaccins.
Aber die Menschen in diesen Ländern werden sich wohl wieder merken wer sie nicht gerecht behandelt hat.

umgekehrt wird ein Schuh draus,

endlich kommen sie raus aus der paternalistischen Abhängigkeit vom "Westen", diese Länder. Südafrika steht kurz davor, einenen eigenen MrnA Impfstoff fertigen zu können. Ich finde das gut und Beispielgebend- Immer nur in Abhängigkeit von der Gnade anderer agieren, das ist nicht zukunftweisend. Andere - wie der voranstehende Kommentator, mag ein solches gutheißen. Armin Christ ist sich - so scheint es jedenfalls- nicht im Klaren darüber, dass er die Staaten der 3 Welt, wenn ich sie mal so zusammenfassen darf, mit seinem Lösungsansatz in ihren Unmündigkeit hält. Natürlich hat sein Ansatz auch etwas für sich. Man kann den Großzügigen geben und seine Eitelkeit an dieser Großzügigkeit laben. Wer das aber nicht will, teilt meine Freude daran, dass diese Staaten mehr und mehr selbst das Heft des Handelns in die Hand nehmen, und sich frei machen, von der Umarmung durch den "Westen", dem sie mit demütiger Artigkeit begegnen müssen, um nicht in Ungnade zu fallen. Beispiele dafür gibt es genug.

Denkanstoß

Danke Dir für den Denkanstoß - natürlich ist es richtig, daß sich die Länder des globalen Südens von paternalistischen Almosen des Wertewestens befreien.
Da sieht man wie sogar ich schon vom herrschenden Narrativ infiltriert bin.