Matthias Platzeck trinkt einen Milchkaffee auf der Terrasse des Inselhotels. Die morgendliche Bürorunde hinter sich, schaut er auf den See, der die Halbinsel Hermannswerder umgibt. Am Wasser
findet er Ruhe. An den Potsdamer Ufern im Land der 1000 Seen, ist er aufgewachsen. "Das Wasser beruhigt die Seele", sagt Platzeck und geht hinunter zum Steg. Dort steht er und lacht, lässig, die
Hände in den Taschen.
Einige Tage zuvor hat Frank-Walter Steinmeier hier sein Kompetenzteam der Presse vorgestellt. Die Brandenburger Landtags- und die Bundestagswahl fallen auf den 27. September. Es wird Zeit
für die SPD zu punkten. Platzeck weiß das. Die Ruhe weicht, sobald er über Politik spricht. In den nächsten Wochen wird er zeigen müssen wie es steht, um die Sozialdemokratie in Brandenburg - und
ob sie stärkste politische Kraft im Land bleibt.
Zum zweiten Mal kandidiert Platzeck zum Ministerpräsidenten. Seine SPD setzt auf ihn. Menschenfänger, Lächler, präsidialer Landesvater wird er genannt. Der Menschen gegenübertritt, wie er
das Sakko trägt: am liebsten offen. Entwaffnend, unvermittelt treffsicher, mit Witz.
Nicht zufällig, aber wie selbstverständlich trifft er Naturfreunde, Betriebsräte, Wissenschaftler, Fabrikanten. Bei arrangierten Essen, auf Markplätzen. Er gewinnt sie für die Politik. Und
für die SPD. Auf einem Wahlplakat steht schlicht: Der Brandenburger. Der Wahlkampf ist auf Platzeck zugeschnitten wie ein Maßanzug.
In den 80er Jahren entscheidet Platzeck, der als Sohn eines Potsdamer Augenarztes und einer medizinisch-technischen Assistentin aufwächst, in der DDR zu bleiben. Im Freundeskreis stellt er
als junger Vater das erste Mal die Frage, deren Beantwortung die Grundlage für sein weiteres Leben und für den Weg in die Politik werden soll: Was werden unsere Kinder einmal über uns sagen?
"In der DDR war man nicht gut beraten, sich politisch zu engagieren", sagt Platzeck, der zunächst biomedizinische Kybernetik und Umweltmedizin studiert. Sein Studium, "die Suche der
Nische", sensibilisiert ihn für Umweltfragen. Von dem großen Potsdamer Sohn und Bildungstheoretiker Wilhelm von Humboldt leiht Platzeck schließlich den Titel seines jüngsten Buches: "Zukunft
braucht Herkunft."
Keiner, der umfällt
1989 steht er als Mitbegründer der Grünen Liga auf der Straße, demonstriert, gestaltet nach dem Mauerfall im Kabinett Modrow die Wende, erlebt die Arroganz der westdeutschen Politik, wird
Umweltminister und tritt 1995 zur SPD über. 1998 ist Platzeck Oberbürgermeister von Potsdam und beerbt 2002 Manfred Stolpe als Ministerpräsident.
2007 heiratet Platzeck erneut. Zu seiner kirchlichen Hochzeit kommen alte und neue Freunde, Genossen staunen über die dauerhaften Beziehungen im Leben des Politikers. Das Leben in der DDR
hat Platzeck nicht vergessen. "Viele schauten Westfernsehen und dachten: Das ist Demokratie. So muss es sein." Manche Hoffnung hat sich nicht erfüllt. "In Wirklichkeit ist Demokratie
schwieriger." Standfestigkeit hat Platzeck gezeigt. Im Landtagswahlkampf 2004 ließ er sich auspfeifen für die Schröderschen Sozialreformen. Verteidigte sie. Und gewann. "Er ist keiner, der
umfällt, wenn Wind von vorne kommt", heißt es seitdem in der Partei. Beweisen muss er sich nun - nach seinem Rücktritt vom Parteivorsitz - wieder vor sich selbst. Seine Mission ist nicht
Vergangenheit, vielmehr Zukunft. "30 Jahre seit der Wahl Maggie Thatchers", sagt Platzeck. "Merkel und Westerwelle würden am liebsten Köhlers Bild von der Wand nehmen und das von Thatcher
dranhängen."
In Brandenburg streitet er für den sozialen Aufstieg. "In der Leiter, die wir aufgestellt haben, fehlen noch etliche Sprossen", sagt Platzeck, der aus einer Familie mit
sozialdemokratischer Tradition stammt. In den nächsten Jahren will er die Betreuungssituation ausbauen, das Schüler-BAföG wieder einführen. Platzeck ist überzeugt, jetzt will er überzeugen.
Es ist diese innere Überzeugung, der Wert der Freiheit und die Notwendigkeit des Miteinanders, die Matthias Platzeck treibt. Seine "Erbmassen" haben ihn "skeptischer, gelassener und
immuner" gemacht. Für Verlockungen um persönliche Macht ebenso wie für große Verheißungen der Politik. "Wenn mir heute jemand erzählt, er habe 100-prozentig Recht, stehe ich auf und gehe."