Leipzig

Boomtown in Sachsen

Susanne Dohrn01. Oktober 2014
Wolfgang Tiefensee erinnert an schwierige Zeiten seiner Stadt Leipzig, die heute ein Wachstum erlebt, das auch seinem Engagement zu verdanken ist.

Erst schlossen Kindergärten, später Grundschulen, danach Mittelschulen und Gymnasien. Die Bevölkerung Leipzigs schrumpfte von 511 000 im Jahr 1990 auf 437 000 im Jahr 1998. „Das war eine große Belastung für das gesellschaftliche und politische Leben in der Stadt“, erinnert sich Wolfgang Tiefensee, der in dieser schwierigen Zeit erst Schuldezernent und von 1998 bis 2005 Oberbürgermeister war. Aber was soll man machen, wenn die Zahl der Geburten rapide sinkt: von 6000 im Jahr vor der Wende auf 2300 danach? Dazu kam die Abwanderung. Wer im Westen Arbeit fand, zog fort.

Und heute? „Arbeitsplätze sind kein vorrangiges Problem mehr“, erklärt Tiefensee. Der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung von 2005 bis 2009 ist inzwischen Bundestagsabgeordneter. Natürlich für Leipzig. Und er strahlt, wenn er von seiner Stadt heute erzählt. „Leipzig ist eine aufblühende, hochinteressante Stadt, die vor allem für junge Leute attraktiv ist – vom Facharbeiter über Studenten bis zu jungen Familien.“ Mit dem Ergebnis, dass es derzeit eher zu wenig Kita-Plätze, Schulen, Erzieherinnen und Lehrer gebe. Ein Problem, an dessen Beseitigung fieberhaft gearbeitet werde. „Dass sich die Bevölkerungszahl derart sprunghaft erhöhen würde, war so nicht abzusehen.“

Warum dieser Wandel? Natürlich profitiert Leipzig, wie viele große Städte, vom Trend zurück in die Stadt. Aber das funktioniert nur, wenn das Umfeld stimmt, es Wohnungen, kulturelle Angebote und vor allem Arbeit gibt. „Wir haben versucht, mit allen Kräften die Attraktivität der Stadt zu verbessern“, erinnert sich Tiefensee. Mit Erfolg: 1996 wurde die Messe neu eröffnet, große Unternehmen siedelten sich an, wie Porsche, BMW, DHL und zuletzt Amazon.

„Viele Städte, die nach der friedlichen Revolution 1989 wieder durchgestartet sind, konnten an die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg anknüpfen“, sagt Tiefensee. So auch Leipzig, denn als ehemals viertgrößte und sehr reiche Stadt Deutschlands war sie sowohl mit der Industrie und dem Maschinenbau sowie ihrer Stellung als Verlagshauptstadt und Universitätsstadt, mit dem Gewandhausorchester und der Oper als auch dem „selbstbewussten stolzen Bürgertum“ auch nach 1990 im Vorteil.

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Kommentare

Jede Medaille hat zwei Seiten

So wie jede Münze und Medaillie 2 Seiten hat, gibt es das auch in Leipzig. Ohne die beschriebenen Erfolge in Abrede zu stellen, gehört aber auch zum Bild, dass ein nicht unerheblicher Teil der Ansiedlungen im Niedrigstlohnsegment stattfanden und zum Teil sich dies noch nicht wirklich verbessert hat. Bei BMW und Porsche hat sich da etwas bewegt, auch durch Betriebsräte und AfA. Bei DHL mußte erst ein Streik den nötigen Druck aufbauen und bei Amazon läuft die Auseinandersetzung noch immer, und zwar bundesweit. Eine mittelständische Industrie, wie in den "alten Ländern" ist nach 25 Jahren nur in zaghaften Ansätzen vorhanden und Firmenzentralen von Großunternehmen sind in Sachsen keine vorhanden. Trotz oder gerade wegen der Niedriglohn-Politik der "verflossenen" Landesregierung bewegt sich da nichts. Der heutige Koalitinsvertrag ändert daran, wenigstens ansatzweise, hoffentlich etwas. Warum die SPD in der ehemaligen "Herzkammer der Partei", Sachsen im unteren 2-stelligen Bereich verharrt und die LINKEN fast doppelt so viele Stimmen bekommen haben, bedarf noch der Analyse.