Gelebte Politik - Hans Eichel

"Ich bin und bleibe ein Linker"

Uwe Knüpfer12. September 2013

In der vorwärts-Reihe "Gelebte Politik" empfiehlt Hans Eichel der SPD Stolz auf das Gute der Agenda 2010 und weist den Vorwurf zurück, die Aufnahme Griechenlands in die Euro-Zone betrieben zu haben. Er preist Hessens Liberalität und Weltoffenheit.

Als „Unsinn“ weist Hans Eichel den Vorwurf zurück, er habe – gegen den Widerstand der Bundesbank – die Aufnahme Griechenlands in die Eurozone betrieben. Im Gegenteil: Die Banker hätten, trotz mancher Bedenken, die Aufnahme befürwortet. Der Weg dorthin sei mit dem Maastricht-Vertrag vorgegeben worden – den noch die Regierung Kohl ausgehandelt hat.

In der Reihe „Gelebte Politik“ erinnert sich der frühere Bundesfinanzminister an seine Verhandlungen mit der Europäischen Zentralbank und an die große rot-grüne Steuerreform. Den „Vorwurf an die Schröder-Zeit, wir hätten den Reichen Geschenke gemacht“, nennt er „Verhetzung“.

Rot-Grün habe ja nicht nur den Spitzensteuersatz gesenkt, sondern gleichzeitig Schlupflöcher geschlossen. In Bad Homburg, „wo die Banker leben, die in den oberen Etagen der Türme arbeiten“, sei das Einkommensteuer-Aufkommen nach der Reform höher gewesen als zuvor.

Viele profitieren von Hartz IV

Überhaupt empfiehlt Eichel, SPD-Mitglied seit 1964, seiner Partei mehr Mut und Stolz im Umgang mit den Reformen der rot-grünen Ära. Vor allem weil die IG Metall und ver.di die Agenda 2010 massiv kritisiert hätten, habe sich der Eindruck festgesetzt, damals sei Sozialabbau betrieben worden. „Unfug!“ so Eichel: „Keiner redet über die Gewinner bei Hartz IV!“

Die meisten Leistungsempfänger seien damals besser gestellt worden. Sozialhilfeempfänger hätten erstmals Anspruch auf Förderung durch die Arbeitsagenturen erhalten. Und im übrigen: „Es schändet nicht, Arbeit aufzunehmen.“

Video Hans Eichel

„Wir haben die Grundlage für den Wiederaufstieg Deutschlands gelegt.“ Vom „kranken Mann Europas“ um die Jahrtausendwende zur Konjunkturlokomotive zehn Jahre später. Frau Merkel ernte, wo Rot-Grün gesät habe.

Übrigens habe damals Oskar Lafontaine viel weitergehende Reformen gefordert – bis hin zur Privatisierung der Arbeitslosenversicherung.

Eigentlich sei es ganz leicht, ein Ministerium zu führen, erzählt Eichel: Man müsse „wenige Grundsätze“ beherzigen. Etwa den Sachverstand der Beamten nutzen. Das habe Lafontaine, sein Vorgänger als Bundesfinanzminister, nicht verstanden. Plastisch schildert Eichel die Vorgänge um Lafontaines plötzlichen Rücktritt. Eichels rot-grüne Landesregierung in Hessen hatte wenige Tage zuvor die Landtagswahl verloren – nach einer „erschütternd“ fremdenfeindlichen Unterschriftenkampagne der Roland-Koch-CDU – , er war nur noch amtierender Ministerpräsident. Dann rief Gerhard Schröder ihn an.

Eigentlich wollte er Architekt werden

Zur Politik gefunden hat Eichel schon als Schüler; in Kassel, wo er am 24. Dezember 1941 zur Welt gekommen ist. Eigentlich habe er Architekt werden wollen, wie sein Vater. Stattdessen wurde er Studienrat – und schon mit 33 Jahren Oberbürgermeister seiner Heimatstadt. Von 1991 bis 1999 regierte er das Bundesland Hessen – dessen Liberalität und Weltoffenheit er in höchsten Tönen lobt.

Die Belebung der Städte, die Einführung von Ganztagsschulen, die Integration von Zuwanderern, Frauenförderung: Das waren auch damals schon Themen der Kommunal- und Landespolitik.  In Kassel kam es, unter Eichels Führung, zur ersten rot-grünen Zusammenarbeit in einer Großstadt. Dabei half, dass Eichel früh auf der Seite derer in der SPD stand, die den Ausstieg aus der Atomwirtschaft forderten.

In „Gelebte Politik“ erzählt Eichel auch, wie er zu seiner legendären Sparschweine-Sammlung kam, warum er ungern Krawatten trägt, wie er Spiegeleier zuschneidet und sich mediale Legenden bilden. Dass ihm in Wiesbaden und später in Bonn und Berlin der „Charme einer nassen Nudel“ nachgesagt wurde, trägt er mit Fassung. Und übrigens: „Ich bin und bleibe ein Linker.“

In der vorwärts-Reihe „Gelebte Politik“ berichten Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die viel erlebt haben, über ihre Erfahrungen.