
Sozialdemokratische Außen- und Sicherheitspolitik war immer an zwei Prinzipien ausgerichtet: der Überzeugung, dass zum Schutz des Landes und der Bündnispartner militärische Vorsorge zu treffen ist, und dem Ziel, militärische Potentiale zu kontrollieren und wo immer möglich zu begrenzen. Deshalb wurde die Anschaffung neuer Waffensysteme innerhalb der SPD stets leidenschaftlich und kontrovers diskutiert und nicht einfach nur abgenickt. Darauf können wir stolz sein.
Debatte nicht nur in Fachzirkeln führen
In dieser Tradition stand auch die höchst respektvoll geführte Debatte der SPD-Bundestagsfraktion in der letzten Sitzung vor Weihnachten. Am Schluss stand die Entscheidung, in dieser Legislaturperiode keine bewaffnungsfähigen Drohnen zu beschaffen. Zur Einordnung ist es sinnvoll, sich noch einmal die Vereinbarung im Koalitionsvertrag in Erinnerung zu rufen: „Über die Beschaffung von bewaffneten Drohnen wird der Deutsche Bundestag nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung gesondert entscheiden.“ Diese Würdigung – das war seinerzeit übereinstimmende Meinung – sollte nicht nur in geschlossenen Fachzirkeln, sondern auch in der Öffentlichkeit geführt werden.
Die Meinungen zur Drohnenbewaffnung gehen auseinander: In Umfragen spricht sich etwa die Hälfte der Befragten gegen die Möglichkeit eines ferngesteuerten Waffeneinsatzes per Bildschirm und Maus-Click aus. Ähnlich viele halten die Bewaffnung von Drohnen für notwendig. Auch die demokratischen Bundestagsfraktionen haben bislang keinen Konsens in dieser Frage erzielen können. Daher bleibe ich dabei: Die im Koalitionsvertrag geforderte ausführliche und breite Debatte hat es im erforderlichen Umfang nicht gegeben.
Aktuelle Entwicklungen miteinbeziehen
Die SPD hat diese Debatte immer wieder eingefordert, während sie vom Verteidigungsministerium – vor allem unter Ursula von der Leyen – unnötig verzögert wurde. Ich will nicht in Abrede stellen, dass Drohnen den im Einsatz befindlichen Soldat*innen weiteren Schutz geben können. Aber bewaffnete Drohnen sind eben nicht nur ein System zur Verteidigung bedrängter Streitkräfte im Auslandseinsatz, sie bleiben Waffensysteme, die auch für Angriffsoperationen äußerst geeignet sind. Sie lösen unter Menschen, die sich den unbemannten bewaffneten Flugobjekten ausgeliefert fühlen, Angst, Empörung und Gewalt aus. Was geschieht, wenn eine aufgebrachte Menge sich von einer bewaffneten Drohne bedroht fühlt und sie attackiert? Ist das ein Fall, in dem der*die entfernt sitzende Bediener*in die unbemannte Maschine zur Verteidigung auf Menschen schießen lassen darf? Schutzfunktion einerseits und eskalierende Wirkung andererseits müssen Gegenstand einer offen geführten Debatte sein.
Wir haben gerade erst erfahren müssen, dass der Krieg im Südkaukasus maßgeblich durch den massiven Einsatz von Drohnen auf Seiten Aserbaidschans entschieden wurde. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer erklärte, in Bergkarabach sei „der erste echte Drohnenkrieg der Geschichte ausgetragen worden, mit schwerwiegenden Konsequenzen für die unterlegene Seite“. Vor dieser neuen politischen Entwicklung dürfen wir nicht die Augen verschließen. Weil bewaffneten Drohnen zunehmend offensive Fähigkeiten zugeschrieben werden, müssen wir die Debatte unter dem aktuellen Eindruck mit verändertem Blickwinkel führen. Das ist unsere politische Verantwortung. Dazu rät auch die Stiftung Wissenschaft und Politik.
Gegen eine Entscheidung in dieser Wahlperiode
Ich wehre ich mich entschieden dagegen, uns jetzt unnötig unter Zeitdruck zu setzen. Ich halte es für politisch und ethisch geboten, auf eine so weitreichende Entscheidung in den verbleibenden Monaten der Wahlperiode zu verzichten. Die bessere Ausrüstung unserer Soldat*innen ist lange überfällig. Der Versuch, denen die bestehenden Sicherheitsdefizite in die Schuhe zu schieben, die den Schritt zum virtuell gesteuerten Waffeneinsatz kritisch diskutieren wollen, ist absolut inakzeptabel. Das kommt nicht nur einem schweren Vorwurf an die Parteispitze der SPD und die Mehrheit der sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten gleich – das düpiert auch Kirchen, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen. Uns allen ist die Sicherheit unserer Streitkräfte alles andere als gleichgültig.
Die SPD ist und war eine Partei, die sich dem internationalen Dialog, der Zusammenarbeit, der Abrüstung und der Rüstungskontrolle verschrieben hat. Das war immer unsere außen- und sicherheitspolitische Leitlinie, und das muss sie auch bleiben. Wir sollten die Chance ergreifen, eine überzeugende Initiative für die Kontrolle und Begrenzung von bewaffneten und ferngesteuerten Waffensystemen zu starten und eine internationale Ächtung vollautomatisierter Waffen, um weltweit ein Signal für Rüstungskontrolle für diese neuen Technologien zu setzen.