Interview

Bernd Lange: Warum das EU-Lieferkettengesetz jetzt endlich kommen muss

Vera Rosigkeit10. Januar 2022
Das EU-Lieferkettengesetz soll die Sorgfaltspflicht in der Lieferkette von unterschiedlichen Vor-und Zulieferern bis zum Endprodukt garantieren.
Das EU-Lieferkettengesetz wird auf die lange Bank geschoben. Offensichtlich hat sich der Europäische Unternehmerverband dagegen stark gemacht. SPD-Europapolitiker Bernd Lange spricht von einem ungeheuerlichen Vorgang.

Die EU-Kommission hat den Gesetzentwurf zum geplanten Lieferkettengesetz im Dezember zum dritten Mal verschoben. Was sind die Gründe?

Beim ersten Mal hatte das Verschieben inhaltliche Gründe, weil es wirklich ein komplexer Gesetzesvorschlag ist, der drei Elemente umfasst: Zum einen geht es um die Sorgfaltspflicht in der Lieferkette von unterschiedlichen Vor-und Zulieferern bis zum Endprodukt und zum zweiten um die Veränderung der Unternehmensverfassung, die Nachhaltigkeit als Unternehmensziel festlegt. Als drittes muss geklärt sein, wie wir künftig mit Produkten umgehen, die nachweislich unter Zwangsarbeit hergestellt werden aber nicht in europäischer Unternehmensverantwortung liegen und damit Import-Verbote beinhalten.

Die zweite und dritte Verschiebung des Gesetzes erfolgte allerdings durch eine Institution innerhalb der EU-Kommission, die rechtlich überprüfen sollte, ob dieser Gesetzgebungsvorschlag in das Regelwerk der europäischen Verträge passt. Diese Institution, die Legal Scrutiny Board, hat sich an diesem Punkt zu einer politischen Bewertungsinstanz entwickelt, was nicht im Sinne des Erfinders ist. Im Fall des Lieferkettengesetzes lässt sich da von einer politischen roten Karte sprechen. Da wurde sehr stark die Argumentation des europäischen Unternehmerverbandes aufgriffen, wonach das Gesetz angeblich gegen die marktwirtschaftlichen Interessen von Unternehmen geht. Eine politische Bewertung ist aber überhaupt nicht akzeptabel.

Heißt verschoben „nur“ verschoben oder steht das Gesetz als solches in Frage?

Für den 25. Januar habe ich aus diesem Grund die Kommission zu einer Diskussion in meinen Ausschuss eingeladen, damit wir nochmal Druck machen können. Es kann nicht sein, dass ein Gremium, das keine demokratische Legitimation hat, politisch in die Arbeit hineingreift. Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang. Das europäische Parlament hat im März vergangenen Jahres schon ein klares Signal zu unserer Positionierung zum Lieferkettengesetz gesetzt. Und auch innerhalb der Kommission gab es bereits ein klares Bekenntnis für das Gesetz. Und das muss jetzt auch kommen.

Bernd Lange ist Vorsitzender des Handelsausschusses im EU-Parlament

Mit Frankreich hat nun ein EU-Land die Ratspräsidentschaft übernommen, das bereits eine Verpflichtung gegenüber unternehmerischen Sorgfaltspflichten für Menschenrechte hat. Könnte sich das positiv auswirken?

Innerhalb des Rates gibt es bereits Diskussionen über diese doppelte rote Karte. Ich gehe davon aus, das Frankreich hier nochmal Druck machen wird und der Vorschlag im Februar oder März endgültig auf dem Tisch liegt. Es ist gut, dass Frankreich jetzt die Ratspräsidentschaft hat.

Frankreich hat ja bereits Erfahrungen mit einem solchen Gesetz….

Genau. Das französische Gesetz beinhaltet positive Elemente, hat aber auch ein paar Unzulänglichkeiten. Einige Definitionen sind da beispielsweise so vage, dass sie unterschiedlichen Interpretationsraum lassen. Es bleibt eine Herausforderung, auch für Unternehmen. Und dies umso mehr, wenn es nur im nationalen Raum greift. Allein um diesen Wettbewerbsnachteil zu korrigieren, will Frankreich das Gesetz europäisieren.

Die neue Koalition aus SPD, Grünen und FDP unterstützt die Forderung nach einem Lieferkettengesetz. Welchen Einfluss kann Deutschland geltend machen?

Das wird sicherlich motivierend wirken, wenn die deutsche Bundesregierung unterstreicht, dass sie dieses Lieferkettengesetz gemeinsam mit Frankreich durchsetzen will.

Wie geht es jetzt konkret weiter?

Am 25. Januar gibt es die Einladung in den Handelsausschuss mit der Generaldirektorin und Ende Februar, Anfang März rechne ich mit der endgültigen Vorlage des Gesetzes. Bis zur Verabschiedung braucht es dann vielleicht nochmal ein Jahr. Dann kommen noch Übergangsfristen hinzu, es müssen Zertifizierungseinrichtungen geschaffen werden, Unternehmen müssen ihre Nachhaltigkeitsstrategien und Risikoanalysen machen. Da kann man schon von insgesamt drei Jahren ausgehen, denn es soll ja keine Lücken geben und keine Schlupflöcher. Wenn wir das im Januar 2025 richtig scharf gestellt haben, dann ist das gut.

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Kommentare

EU-Lieferkettengesetz

Dann macht mal!

EU-Lieferkettengesetz

Die internationale und nationale Kapitalseite/ Kapitalfraktion wird NICHTS
unversucht lassen, dass von einem jetzt schon nur hoch unbefriedigenden
Lieferkettengesetz möglichst NICHTS übrigbleibt. Denn je inhaltlich besser/wirkungsvoller durch ein Lieferkettengesetz die absolut unverzichtbaren Rechte der Menschen und der Natur/Umwelt geschützt werden, je mehr wird die unternehmerische Gewinnmaximierung und Kapitalakkumulation schwinden. Und dies will die Kapitalseite nicht zulassen. Sie kann es auch nicht im einem Kapitalistischen System. Das Große Kapital frisst das Kleine Kapital. Das sind die Zwangsgesetze des Kapitalismus. Die 'Zwangsgesetze' eines Raubtieres sind da "humaner"!
Es muss national und international ein anderes System - ein anderer Ansatz her. Fangen wir im nationalen Bereich mit einer Wirtschaftsdemokratie an. Versuchen wir diese in den europäischen Bereich zu überführen. Und suchen wir letztlich (aber nicht zu spät !!!) nach einem Ausstieg aus dem Kapitalismus. Das ist nicht leicht. Für die Menschen, für die Umwelt aber unerlässlich. Viele werden dies für Utopie halten. Oskar Negt hat zu Recht gesagt: Nur noch Utopien sind realistisch.

ja, genau, andererseits

behaupten einige immer noch, im real existierenden Sozialismus gebe es Zwangsarbeitslager, Häftlingen würden unentgeltlich ausgebeutet- Ikea wird vorgehalten man habe in der DDR produzieren lassen, in Bautzen und anderen Anstalten. Dann alles was aus China kommt, wo die Moslems unterdrückt werden und andere Demokraten,sh Hongkong

im real existierenden Sozialismus

Rudi Dutschke sagte bereits: "In der DDR ist alles real, nur nicht der Sozialismus", und so war es auch in den anderen Ländern des früheren Ostblocks. China ist vom Gesellschaftssystem her kapitalistischer als die meisten anderen Länder, während die Staatsmacht weiterhin stalinistisch geprägt ist.

Fangen wir im nationalen Bereich mit einer Wirtschaftsdemokratie

Sie übersehen, dass wir als Verbraucher, die überwiegend beim Einkauf nur auf den Preis schauen, so etwas wie die Zuhälter und stillen Profiteure dieses von Ihnen beklagten Systems sind. Sollten wir das von Ihnen beklagte System nicht einfach dadurch lahmlegen, indem wir nur noch Waren kaufen, die nachhaltig und fair produziert und gehandelt werden? Die Macht hätten wir Verbraucher. Nur auf andere zu zeigen ist gewissenlos.

sagen Sie das mal einem

HARTZ 4 Empfänger- aber versichern Sie sich eines ausreichenden Begleitschutzes, weil sonst könnte es passieren, das......

ausreichenden Begleitschutzes

"HARTZ 4 Empfänger", vor denen ich mich wegen meines Kommentars mit einem "ausreichenden Begleitschutz" schützen müßte, würde ich fragen, ob sie ihre offenbar reichlich vorhandenen Kräfte nicht besser dafür einsetzen sollten um sich mit Bildung und Ausbildung in die Lage zu versetzen, für den eigenen Lebensunterhalt selbst zu sorgen.

Zu Richard Frey "gewissenlos"

Machen wir doch beides - und zwar in dieser Reihenfolge:

1.
Wirtschaftsdemokratie - dann entscheiden die Bürgerinnen und Bürger viel mehr als im gegenwärtig
'Real-existierenden Neoliberalismus' d e m o k r a t i s c h WAS, WIEVIEL von WEM WOZU produziert wird.
Und nicht in allererster Linie die reinen, ungezügelten Profitinteressen/Kapitalinteressen der Kapitaleigner, die wegen des Konkurrenzprinzips immer in im Ausmaß nicht mehr verantwortbaren Ressourcen-/Naturverbrauch bzw. im Ausmaß nicht mehr verantwortbaren Schadstoffausstoß/Schadstoffaufnahmesenken-Überlastung führen.

2.
Nachhaltiger Konsum - Suffizienz.

Das wäre schon mal ein gutes Stück besser als bisher/gegenwärtig!

Ihr Vorwurf "gewissenlos" in diesem Zusammenhang gehört daher zur Kategorie: "nachts ist es kälter aus draußen".

"gewissenlos"

Gewissenlos ist jemand, der weiß, dass sein Tun falsch ist, aber es trotzdem tut und dann die Folgen seine Tuns lauthals beklagt.

Widerspruch

Wir sollten die Kapitalisten nicht Raubtiere nenn, denn sie sind Menschen und die nennt man in solchen Zusammenhängen: Räuber !

zu Armin Christ nicht Raubtiere

Akzeptiert.

Zwangsgesetze des Kapitalismus

Ihr Beitrag erinnert mich an die Parolen von SED-Funktionären bei einer Reise durch die DDR mit einer GEW-Delegation auf Einladung des FDGB. An unserer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung gibt es sicher das eine oder andere auszusetzen und zu verbessern, aber etwas Besseres sehe ich nicht. Die Modelle, die Ihnen offenbar vorschweben, sind alle krachend im Bankrott gescheitert.

Zu Richard Frey "gewissenlos" II

Ergänzung:

Wirtschaftsdemokratie ist nicht von einem 'anderen Stern'.
Schon in Zeiten der Weimarer Republik wurden vom Sozialdemokraten und Gewerkschafter Fritz Naphtali Formen der Wirtschaftsdemokratie propagiert.

Man muss also das Rad nicht immer neu erfinden, sondern kann auf schon Dagewesenem, das sinnvoll war, konstruktiv aufbauen. Aber wollen muss man es!