Sozen-Wirtschaft

Bekämpfung der Inflation: Warum eine Mehrwertsteuersenkung nicht hilft

Gustav Horn04. Mai 2022
Lebensmittel sind durch die Inflation zuletzt deutlich teurer geworden. Eine Mehrwertsteuersenkung würde jedoch zur Bekämpfung kaum helfen, meint der Ökonom Gustav Horn.
Lebensmittel sind durch die Inflation zuletzt deutlich teurer geworden. Eine Mehrwertsteuersenkung würde jedoch zur Bekämpfung kaum helfen, meint der Ökonom Gustav Horn.
Eine Mehrwertsteuersenkung würde zur Bekämpfung der Inflation kaum helfen, meint Gustav Horn. Der Ökonom schlägt stattdessen ein Bündel an Maßnahmen vor, um vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen besser zu unterstützen.

Die Preise steigen scheinbar ohne Ende. Die schmerzliche Folge für viele Haushalte ist, dass der Geldbeutel automatisch immer schmaler wird, da man für das gleiche Einkommen immer weniger kaufen kann. Dieser Trend hat sich entgegen den Erwartungen vieler Expert*innen in den vergangenen Monaten weiter verschärft. Denn die höheren Energiepreise belasten fast alle Bereiche der Wirtschaft, so dass sich der Preisanstieg  immer weiter ausbreitet. So mancher Anbieter nutzt zudem die Gelegenheit, in dieser Zeit allgemeiner Preissteigerungen, in der der einzelne Preisanstieg nicht mehr besonders auffällt, seine Gewinnmargen zu erhöhen. Im Ergebnis schwindet die Kaufkraft besonders von Haushalten mit niedrigen Einkommen. Das Leben wird schwieriger.

Wie ein schlecht kontrolliertes Tempolimit

In jüngster Zeit wird nun der Vorschlag diskutiert, man solle die Mehrwertsteuer zumindest für einige Grundnahrungsmittel und Energie absenken oder gar ganz abschaffen. Für Benzin ist diese sogar Teil eines Entlastungspakets der Bundesregierung. Das ist sicherlich alles gut gemeint, hilft aber nur wenig bis überhaupt nicht. Ein großes Problem ist, dass die Steuersenkung unter den gegenwärtigen Umständen nicht oder zumindest anfänglich nicht vollständig an die Kund*innen weitergegeben wird, sondern als zusätzlicher Gewinn in den Taschen der Anbieter landet.

In einem Umfeld allgemein steigender Preise ist diese Versuchung groß. Man kann nur darauf hoffen, dass harter Wettbewerb zwischen den Anbietern zumindest auf Dauer die Preise fallen lässt. Eine solche Steuersenkung ist daher nur wie ein begrenztes und schlecht kontrolliertes Tempolimit, das die Geschwindigkeit des Preisanstiegs allenfalls kurzeitig unterbricht. Spätestens ein Jahr nach der Senkung nimmt die Inflation wieder ihre ursprüngliche Fahrt auf, wenn man die grundlegenden Ursachen des breitflächigen Preisanstiegs inzwischen nicht wirklich in den Griff bekommen hat.

Preissteigerungen betreffen ganze Wirtschaft

Dessen Wurzeln sind leicht identifizierbar und jeder kennt sie. Der Inflationsimpuls ging im vergangenen Jahr von den teilweise massiv steigenden Energiepreisen aus, ein Anstieg, der sich im Zuge des Kriegs Russlands mit der Ukraine zeitweise noch massiv verstärkte. Hinzu kamen die immer noch bestehenden Lieferkettenprobleme die zu Knappheiten bei vielen Vorprodukten führte, was deren Preise ebenfalls rasant steigen ließ.

Diese Preisimpulse haben zwei Eigenschaften, die ihre Bekämpfung merklich erschweren. Erstens, sie kommen aus dem außereuropäischen Ausland, sind also importiert und können daher von der europäischen Wirtschaftspolitik nicht an ihrem Ursprung angegangen werden. Zweitens, diese Preise sind für nahezu alle Bereiche der Wirtschaft wichtig. Vorprodukte und Energie werden schließlich fast überall gebraucht. Die Preissteigerungen strahlen also auf die ganze Wirtschaft aus, jeder Haushalt und jedes Unternehmen ist betroffen.

Übergewinnsteuer als mögliche Lösung

In einer solchen Situation ist tatsächlich in erster Linie die Wettbewerbs- und die Finanzpolitik gefordert. Erstere muss darauf achten, dass Unternehmen die allgemeinen Preissteigerungen nicht zu einer exzessiven Ausdehnung der Gewinnmargen nutzen. Dem gleichen Zweck könnte die Einführung einer Übergewinnsteuer dienen, die die auf diese Weise erzielten Zusatzgewinne abschöpft. Die Einnahmen könnten dazu verwendet werden, um weitere Entlastungspakete für bedürftige Haushalte zu finanzieren. Damit wären weitere dringend benötigte Zuschläge zu Hartz IV oder der Grundsicherung sowie zum Wohngeld möglich. Darüber hinaus könnten weitere Pauschalbeträge an sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und Rentner*innen gezahlt werden. 

Neben diesen finanzpolitische Maßnahmen muss aber auch die Geldpolitik ihren Kurs an das neue Umfeld anpassen. Die Zeit der negativen Einlagenzinsen sollte vorbei sein. Auch könnte sie die Anleihekäufe schneller als geplant zurückfahren und gegebenenfalls in Verkäufe drehen, um Liquidität aus dem Wirtschaftskreislauf zu ziehen. Dies sollte überschüssige Nachfrage etwas dämpfen. Auch der Leitzins könnte nach Ankündigung leicht erhöht werden, vor allem um den Kurs des Euro zu stützen und damit insbesondere Energie-Importe billiger und Kredite teurer zu machen. Letzteres dämpft zudem die spekulative Nachfrage vor allem beim Bau.

Mit einem solchen Bündel an Maßnahmen sollte die Inflation allmählich abebben. Zumindest könnten Menschen mit niedrigen Einkommen etwas vor ihren Folgen geschützt werden. Denn deren Geldbörsen sollten nicht Monat für Monat  schmaler werden.

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Kommentare

Inflation

Wir haben keine Inflation aber wir haben Teuerung. Zur Inflation gehört, daß die Teuerungen durch Lohn- und Gehalterhöhungen abgefangen werden, dies ist aber nicht der Fall.
Sozialdemokratische Politik wäre es allerdings mal nachzuforschen warum bei geringem Anstieg der Rohölpreise die Preise für Heizöl und die an den Zapfsäulen so hoch sind., und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Und die ganzen Teuerungen werden doch mit den erhöhten Transportkosten begründet. Die SPD wäre gut beraten eine Politik zu machen, die verhindert daß sich die Leute Gelbe Westen anziehen.

Entlastungspakete

Lieber Herr Christ,
dann schauen Sie sich doch gerne noch mal unsere Berichterstattung zu den beiden Entlastungspaketen der Bundesregierung an. Da ist schon eine ganze Menge dabei von dem, was Sie fordern.

Lieber Herr Jorden

Es geht nicht um irgend welche Pakete, es geht schlöicht und einfach darum dem Räuberkapitalismus der Petroleumkonzerne einen Riegel vor zu schieben. Die Menschen leiden unter den Auswüchsen der kapitalistischen Produktionsweise und Sozialdemokratie ist mM dazu da solche Auswüchse nicht zu zulassen.

Mehrwertsteuersenkung versus Übergewinnsteuer / Russlands Krieg

Die Einführung einer Übergewinnsteuer ist eine interessante Alternative und einleuchtend. Aber warum so kompliziert?

Geben wir die einmalig 100 Milliarden Euro und die jährliche Steigerung auf zwei Prozent des BIP für Militärisches in Deutschland NICHT für Militärisches aus, sondern für:

SOZIALES / BILDUNG / KULTUR / UMWELT / SOZIAL-ÖKOLOGISCHE TRANSFORMATION / UNTERSTÜTZUNG DES GLOBALEN SÜDENS (früher nannten wir das Dritte Welt). Denn genau
dort fehlt viel, viel Geld. Damit könnten wir viel, viel Frieden und Gerechtigkeit herbeiführen. Bei uns und global!

Deutschland liegt seit Jahren unter den top-führenden (!) Staaten in der Welt für Militärausgaben. Reicht das nicht? Was wurde mit diesen zig, zig Milliarden Euro in den letzten 20 Jahren gemacht? Wurden diese Milliarden verbrannt, zum Fenster hinausgeworfen? Wer hat das zu verantworten? Wer schreit jetzt am Lautesten für Aufrüstung?

Eine Friedens- und Verteidigungsarmee muss ordentlich ausgerüstet sein. Natürlich! Was den sonst? Aber dafür hätten die bisherigen zig, zig Milliarden Euro ausreichen müssen.

M

Die SPD ist schon sehr spät daran, die Bürger zu überzeugen , wie würde sie als Partei mit absoluter Mehrheit die massiven Kaufkraftverluste durch die Inflation und Teuerungen ausgleichen. 1. Energie: bis 2000Kwh pro Person/Jahr steuerfrei 2. Einführung einer Negativsteuer= Guthaben beim Finanzamt für Gering/Normalverdiener zur Geltendmachung von haushaltsnahen Dienstleistungen/ Anschaffung von stromsparenden Haushaltsgeräten usw.
3.Deckelung der Bankgebühren und Überziehungszinsen 4. Abschaffung der Beitragsbemessungrenze für Krankenversicherung 5. gestaffelte/ zeitlich befristete Vermögensabgabe zur Finanzierung der aktuellen Krisen.
Die SPD muss die Erfolge Le Pens im Arbeitermilieu in Frankreich und das beschämende Abschneiden der Kandidatin der ehemals führenden Sozialisten als Warnzeichen sehr ernst nehmen. Schon vor der Corona- und Ukrainekriegskrise hatte ein großer Teil der SPD Wähler mehr Sorgen um den Kontostand zum Monatsende als um den Klimawandel.
Ein Grundproblem : Das Verhältnis zwischen dem Faktor Arbeit und Faktor Kapital ist massiv aus dem Gleichgewicht geraten, mit der Folge, dass die Kluft zwischen Arm und Reich Demokratie bedrohend wächst.

Anlagemöglichkeiten für Sparguthaben schaffen

Zur Finanzierung der Infrastrukturmaßnahmen sollten die Bundesschatzbriefe wieder eingeführt werden, damit der Sparer, dessen Guthaben schon seit über 10 Jahren durch Negativzinsen immer mehr an Wert verlieren, eine Alternative zum Kauf von Aktien bekommt. In diesem Zeitraum sind die Preise für Immobilien und Sachwerte massiv angestiegen. Dennoch wurden die Kosten für den Klimawandel mit der CO2 Steuer zu allererst die Mieter mit der Verteuerung der Heizkosten belastet. Die nachgeschobene Beteiligung der Vermieter macht die Lage für die Mieter noch komplizierter. Als besonders dreiste Provokation für Mieter empfinde ich, dass für den Kauf von Elektroautos 4000 Euro Prämie bezahlt wird und auch noch die Installation einer Ladestation gefördert wird. Für einen Normalverdiener kommt nur ein Benziner in der Preisklasse 15-20000 Euro in Frage. Die Kosten für den Klimawandel werden, genauso wie die Lasten der Immigration, über Gebühr den wohneigentums- solardachlosen Bürgern aufgebürdet.