Präsidentenwahlen in Polen

Das bedeutet der Wahlsieg Dudas für Polen und Europa

Ernst Hillebrand14. Juli 2020
Kein Signal der Erneuerung: Andrzej Duda wurde als Präsident Polens knapp wiedergewählt.
Kein Signal der Erneuerung: Andrzej Duda wurde als Präsident Polens knapp wiedergewählt.
Nach dem Wahlsieg bei den polnischen Präsidentenwahlen kann die PiS durchregieren. Die entscheidenden Konflikte werden im Regierungslager stattfinden. Davon hängt auch das künftige Verhältnis zu Brüssel und Berlin ab.

Die Schlacht ist geschlagen, der Sieger steht fest: Nach einem extralangen, teilweise hart und bitter geführten Wahlkampf hat der Amtsinhaber Andrzej Duda die Präsidentschaftswahlen in Polen gewonnen. Das Ergebnis war überraschend knapp: Duda erhielt 51 Prozent der Stimmen, sein Herausforderer in der Stichwahl, der Warschauer Bürgermeister Rafał Trzaskowski, 49 Prozent der Stimmen.

Die PiS hat alle Wahlen seit 2018 gewonnen

Mit diesen Wahlen findet ein fast zweijähriger Wahlzyklus seinen Abschluss. Er hatte im Herbst 2018 mit dem Wahlkampf für die Kommunal- und Regionalwahlen begonnen und führte über die Europawahlen im Mai 2019 und die Parlamentswahlen im Herbst zu den Präsidentschaftswahlen. Die PiS hat alle diese Wahlen gewonnen: Nicht immer eindeutig, letztendlich aber doch. So verlor sie bei den Kommunalwahlen zwar in den Großstädten, in den Regionen (Woiwodschaften) konnte sie aber ihre Mandate ausweiten. Die Europawahlen gewann die Partei deutlich; ihre Vertretung in Straßburg ist größer als die der CDU. Bei den Parlamentswahlen gewann die PiS kräftig hinzu und gewann im Sejm wieder eine absolute Mehrheit. Allerdings konnte die Opposition eine knappe Mehrheit im Senat erringen. Und nun also der Sieg in den Präsidentschaftswahlen. Knapp, aber eben doch.

Was dies für die polnische Politik bedeutet, lässt sich nur zum Teil bereits heute sagen. Sicher ist, dass die PiS jetzt technisch relativ problemlos regieren kann. Die entscheidenden Konflikte werden nicht zwischen Regierung und Opposition stattfinden, sondern eher innerhalb des Regierungslagers. Hier ist eine Frontbildung zwischen ideologischen Hardlinern – deren Führungsfigur der Justizminister Zbigniew Ziobro ist, der eine eigene kleine national-katholische Partei anführt – und Technokraten vorstellbar.

Konflikte zwischen Technokraten und Hardlinern

Gallionsfigur der Technokraten ist der Premierminister Mateusz Morawiecki, dessen Aufstieg in der Partei bisher von Jarosław Kaczyński gedeckt wurde. Die Spannungen zwischen diesen Lagern zeigen sich bereits und werden vermutlich zunehmen. Wie groß die Fliehkräfte innerhalb der Regierungsmehrheit sind, hatte sich im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen angedeutet, als eine der kleineren Koalitionsparteien die Abhaltung der Wahlen im Mai mit verhinderte.

Entscheidend wird die Haltung Kaczyńskis sein, der immer noch die Zentralinstanz der PiS ist. Aber er ist über 70 und, so heißt es, nicht bei vollständig guter Gesundheit. Wohin die Reise geht, wird sich im Herbst zeigen: Dann müssen die regionalen und nationalen Führungsstrukturen der PiS neu bestimmt werden.

Konflikte mit Brüssel und Berlin

Von den internen Machtverhältnissen im Regierungslager wird es auch abhängen, wie sich das Verhältnis zu Brüssel und Berlin entwickelt. Im Falle des Streits um die Justizreformen sollten keine großen Konzessionen erwartet werden. Die polnische Regierung ist der Meinung, dass die Reformen einen Governance-Bereich betreffen, der nicht vergemeinschaftet ist. Das polnische Verfassungsgericht in seiner heutigen Zusammensetzung teilt diese Auffassung.

Der zentrale Konflikt könnte in diesem Kontext um die Verknüpfung von EU-Mitteltransfers mit politischen Konditionalitäten gehen. Polen wird alles tun, um eine solche Konditionalisierung zu verhindern. Unterstützung durch Polen wird dagegen weiterhin alles finden, was die Verteidigungskooperation in der EU stärkt – ohne die Rolle der USA und der NATO zu schwächen –und den Binnenmarkt vertieft. In den Fragen um die Höhe und Finanzierung des Haushalt wird sich das Land pragmatisch verhalten. Als einer der Hauptempfänger von Mitteln hat Polen an sich ein Interesse an einem gut finanzierten Brüsseler Haushalt.

Deutsch-polnische Geschichte belastet Beziehungen

Auch im Verhältnis zu Deutschland sind a priori keine großen Veränderungen zu erwarten. Es wird bei dem gewohnt süß-sauren Bild bleiben: Exzellente wirtschaftliche Beziehungen, tiefe gesellschaftliche Kontakte nicht zuletzt über die in Deutschland lebende „Polonia“, die größte und vermutlich am besten integrierte Einwanderer-Community in Deutschland. Und schwierige politische Beziehungen, die sich an unterschiedlichen Einschätzungen vor allem in europapolitischen Fragen, aber auch im bilateralen Verhältnis immer wieder entzünden können. Denkbar sind etwa Konflikte um die Frage des großen Gewichts ausländischer – nicht zuletzt deutscher – Medienkonzerne in Polen, das Teilen der polnischen Gesellschaft ein Dorn im Auge ist.

Und alles natürlich überschattet von der deutsch-polnischen Geschichte und ihren Verwerfungen. Während der deutschen Besatzungszeit sind über sechs Millionen polnische Staatsbürger ermordet worden. Praktisch jede Familie hatte Opfer zu verzeichnen und das gilt auch für die aktuell politisch Handelnden: Der Großvater der Ehefrau Dudas, Jakub Kornhäuser, war einer der wenigen Krakauer Juden, der den Holocaust überlebte. Der Bruder eines Großvaters Dudas wurde als Soldat der Heimatarmee von der Gestapo zu Tode gefoltert. Die Urgroßmutter mütterlicherseits wurde deportiert und ist in der Deportation gestorben. Jarosław Kaczynski wurde 1949 in einem von den Deutschen weitgehend dem Erdboden gleich gemachten Warschau geboren. Sein Vater war als Kämpfer im Warschauer Aufstand im Sommer 1944 gefangen genommen worden; es gelang ihm, unter den Leichen erschossener Kameraden versteckt, auf einen Pferdewagen aus dem Internierungslager zu fliehen und sich bis zum Kriegsende zu verstecken. Diese Dinge sind immer noch präsent und sie werden auch in den kommenden Jahren ihren Schatten auf das deutsch-polnische Verhältnis werfen.

Tags: 

weiterführender Artikel