Debatte im Europaparlament

Barley zu Orban und LGBTIQ: Von der Leyens Worten müssen Taten folgen

Lars Haferkamp08. Juli 2021
Katarina Barley, Vizepräsidentin des EU-Parlamentes, verlangt: „Die Europäische Union darf sich nicht länger von Viktor Orbán am Nasenring durch die Manege ziehen lassen.“
Katarina Barley, Vizepräsidentin des EU-Parlamentes, verlangt: „Die Europäische Union darf sich nicht länger von Viktor Orbán am Nasenring durch die Manege ziehen lassen.“
Die EU-Abgeordneten verlangen von der EU-Kommission rechtliche Schritte gegen Ungarn zum Rechtsstaatsschutz im Eilverfahren. Konkret geht es um das ungarische Anti-LGBTIQ-Gesetz. EU-Parlamentsvizepräsidentin Katarina Barley (SPD) fordert jetzt Taten.

Das EU-Parlament hat am Donnerstag eine fraktionsübergreifende Resolution zum ungarischen Anti-LGBTIQ-Gesetz verabschiedet. Die Entschließung verurteilt das Gesetz Ungarns „auf das Schärfste“. Die EU-Abgeordneten verlangen von der EU-Kommission rechtliche Schritte im Eilverfahren gegen Ungarn vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Das Abstimmungsergebnis ist eindeutig: Dafür stimmten 459 Abgeordnete, mit Nein votierten 147 Parlamentarier, 58 enthielten sich.

Das Gesetz stehe im Zusammenhang mit dem jahrelangen systematischen Demokratieabbau in Ungarn unter Ministerpräsident Viktor Orbán, so die Resolution. Die EU-Parlamentarier*innen fordern deshalb von der Kommission die sofortige Anwendung des Rechtstaatsmechanismus zum Schutz des EU-Haushaltes. Auch die Staats- und Regierungschefs sollten im Rat gegen Viktor Orbán vorgehen und dabei auch eigene Klagen vor dem EuGH in Betracht ziehen.

Barley: Orbán verletzt fundamentale Werte Europas

Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und Mitglied im Innenausschuss, bezieht klar Position: „Mit seinem Anti-LGBTIQ-Gesetz verstößt Viktor Orbán einmal mehr gegen fundamentale europäische Werte. Wer gleichgeschlechtliche Liebe mit Pornographie gleichsetzt, dem geht es nicht um Jugendschutz, der setzt Jugendliche vielmehr einer Gefahr aus, nicht zu ihrer sexuellen Identität stehen zu können.“ Gerade junge LGBTIQ-Personen seien besonders suizidgefährdet, wenn sie nicht offen zu sich und ihrer Identität stehen könnten.

„Die Europäische Union darf sich nicht länger von Viktor Orbán am Nasenring durch die Manege ziehen lassen“, fordert Barley. „Der Aufschrei wegen Orbáns jüngstem Gesetz sollte endlich Aufmerksamkeit dafür schaffen, dass er seit mehr als zehn Jahren Demokratie und Rechtsstaat mitten in der EU abschafft.“ Der ungarische Regierungschef habe „gedeckt von der konservativen Europäischen Volkspartei – die europäische Wertegemeinschaft schon längst verlassen, bedient sich aber weiter gerne aus den Brüsseler Geldtöpfen“.

Barley kritisiert „Orbáns himmelschreiende Korruption“

Die klaren Worte von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyens könnten nur „ein erster Schritt“ sein, „nun müssen Taten folgen“, so Barley. Die EU-Kommission habe seit über einem halben Jahr die Möglichkeit, europäische Gelder für Rechtsstaatssünder wie Orbán einzufrieren. „Der Rechtsstaatsmechanismus könnte sofort auf Orbáns himmelschreiende Korruption angewendet werden“, argumentiert Barley. „Das Europaparlament muss die Kommission mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof zum Jagen tragen“, kritisiert sie. „Auch beim Anti-LGBTIQ-Gesetz Ungarns könnte die EU-Kommission im Eilverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof Strafen in Millionenhöhe gegen Ungarn beantragen.“

Katarina Barley ist überzeugt: „Die Frage der Grundwerte wird über das Wohl und Weh der EU entscheiden.“ So langsam dämmere das hoffentlich auch den Staats- und Regierungschefs. Sie sollten ihrer Empörung über Orbán Taten folgen lassen und sich trauen, auch ihrerseits gegen Ungarns Regierungschef vor dem Europäischen Gerichtshof zu klagen. Sie gibt zu bedenken: „Wer nach über zehn Jahren Demokratieabbau in Ungarn noch immer auf einvernehmliche Lösungen mit Orbán setzt, macht sich am Zerfall der EU mitschuldig.“

Von der Leyen: Ungarns Gesetz ist „schändlich“

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte Ungarn am Mittwoch in Straßburg im EU-Parlament aufgefordert, das neue Gesetz zum Verbot von angeblicher „Werbung“ für Homosexualität zu ändern. Sollte es nicht korrigiert werden, werde die Kommission ihre Rolle als Hüterin der Verträge wahrnehmen.

„Dieses Gesetz stellt Homosexualität und Geschlechtsumwandlungen auf eine Stufe mit Pornografie. Dieses Gesetz nutzt den Schutz der Kinder, dem wir uns alle verschrieben haben, als Vorwand, um Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung schwer zu diskriminieren“, so die Kommissionspräsidentin. „Dieses Gesetz ist schändlich. Es widerspricht zutiefst den Grundwerten der Europäischen Union – dem Schutz der Minderheiten, der Menschenwürde, der Gleichheit und der Wahrung der Menschenrechte.“

Rechtsgutachten: Ungarn können sofort Gelder gekürzt werden

Nach einem aktuellen Gutachten von drei Rechtsprofessor*innen könnten Ungarn deshalb von der EU Gelder gekürzt werden. Danach drohen Ungarns Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit die finanziellen Interessen der Europäischen Union ernsthaft zu beeinträchtigen. Damit wäre die Voraussetzung erfüllt, um Zahlungen aus dem EU-Gemeinschaftshaushalt auszusetzen.

Das Europaparlament kritisiert bereits seit Monaten, dass die EU-Kommission das neue Instrument zur Finanzkürzung bislang nicht anwendet. Zuletzt hatte es deswegen bereits ein Verfahren für eine Untätigkeitsklage gegen die EU-Kommission eingeleitet.

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Kommentare

zu Orban und LGBTIQ

Leider mache ich mir da keine Hoffnung, dass hier Taten folgen.

Jedoch würde die EU endlich wieder von der Bevölkerung eine größere Akzeptanz erhalten, wenn die Kommission tatsächlich die Gelder sofort sperren würde. Und wenn Flintenuschi nichts unternimmt, hat sie den letzten Rest an Glaubwürdigkeit verloren.

Und die EVP sollte in der Öffentlichkeit stärker kritisiert werden, weil sie einzig aufgrund ihres Machterhalts im EU-Parlament es nicht riskiert, die Fidesz definitiv auszuschließen.

LPGQ+++++

Ein schöner Aufreger. Grundwerte der EU ? Menschenrechte ?
Wo bleibt die Kritik an der SintiundRoma-feindlichen Politik Orbans, der Antisemitismus in Ungarn ? Und all das gibt es nicht nur in Orbanland sondern in fast allen neuen NATO-Ländern.