Tag der Deutschen Einheit

Ausstellung „Leseland DDR“: Wo das Lesen politisch war

Kai Doering03. Oktober 2022
Lektüre am Frühstückstisch in Berlin-Pankow 1986: Nicht alle Bücher waren in der DDR so einfach zu haben.
Lektüre am Frühstückstisch in Berlin-Pankow 1986: Nicht alle Bücher waren in der DDR so einfach zu haben.
In der DDR wurde viel gelesen, auch das, was nicht erlaubt war. Eine Plakatausstellung zeigt nun das „Leseland DDR“ in all seinen Facetten. Das Besondere: Jede*r kann sie sich nach Hause bestellen.

George Orwell konnte nur lesen, wer einen „Giftschein“ hatte. Sein Buch „1984“, das der englische Schriftsteller 1949 über einen futuristischen Überwachungsstaat geschrieben hatte, galt der Partei- und Staatsführung in der DDR als „staatsfeindliche“ Schrift. Wer damit erwischt wurde, dem drohte – zumindest in den Anfängen – Zuchthaus. Nur in einigen wissenschaftlichen Bibliotheken lagerten Ausgaben in verschlossenen Schränken, zugänglich nur mit einer besonderen Genehmigung, eben einem „Giftschein“. Gelesen wurden Orwell und viele andere verbotene Autorinnen und Autoren aber doch. Eingeschlagen in Umschlägen anderer Bücher oder in Packpapier wurden ihre Werke in die DDR geschmuggelt.

Eine Ausstellung zum Bestellen

Der „Giftschrankliteratur“ ist eines von 19 Kapiteln der Ausstellung „Leseland DDR“ gewidmet. Erarbeitet hat sie die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Der Historiker Stefan Wolle beleuchtet darin die Rolle der Literatur im Arbeiter- und Bauernstaat, von Märchen, über Science Fiction bis hin zu Krimis. Selbst Kochbüchern ist ein Kapitel gewidmet: Bis zum Ende der DDR wurden Millionen Exemplare der Bücher „Wir kochen gut“ und „Wir backen gut“ verkauft. Es waren die Standardwerke fürs Kochen und Backen zu Hause. Noch heute stehen die Exemplare in vielen ostdeutschen Bücherregalen. Die DDR ist verschwunden, ihre Bücher -haben überlebt.

Das Besondere an der Ausstellung „Leseland DDR“ ist aber nicht nur ihre Bandbreite: Sie kann auch überall gezeigt werden. Zwar ist die Premieren-Schau nur noch bis zum 4. Oktober im Berliner Stadtteil Treptow zu sehen. Konzipiert ist sie jedoch als Plakatausstellung zum Bestellen. Die 20 Plakate in DIN-A-1-Format sind für eine Schutzgebühr von 30 Euro erhältlich und können etwa in Bibliotheken, Schulen oder auch SPD--Büros gezeigt werden. Auf Wunsch vermittelt die Bundesstiftung Aufarbeitung auch Referentinnen oder Referenten für Begleitveranstaltungen. Nicht nur rund um den Tag der Deutschen Einheit oder die Frankfurter Buchmesse im Oktober gibt es hierbei sicher viele Anknüpfungspunkte.

Ein anderer Blick auf die DDR

Den Besucherinnen und Besuchern vermittelt die Ausstellung 33 Jahre nach dem Mauerfall einen ganz anderen Blick auf die DDR als den durch zahlreiche Filme und Dokumentationen gewohnten. Gleichzeitig wirft sie Fragen auf, wie etwa die der Autorin Ines Geipel: „Was wäre aus dem DDR-System geworden, wenn bestimmte literarische Stimmen hätten wirken dürfen?“

Die Ausstellung bestellen

Die 20 Plakate können für 30 Euro (zzgl. Versand) bei der Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur bestellt werden. Weitere Infos: leseland-ddr.de

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