
„Arbeitnehmer*innen sind in der Pandemie bisher nicht so in den Mittelpunkt gerückt, wie es notwendig ist“, sagt Rolf Mützenich am Montagmittag. Nach den Beratungen in den Fraktionen konnte der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion am Montag eine Einigung zu den geplanten Änderungen im Infektionsschutzgesetz verkünden. Zentrale Punkte für ihn: verbindliche Schnelltests-Angebote am Arbeitsplatz sowie eine Home-Office-Pflicht, wo es möglich ist. Beide Corona-Schutzmaßnahmen waren bisher über Verordnungen in Kraft, sollen nun aber gesetzlich verankert werden, um Rechtssicherheit zu garantieren.
Dass solche Regeln nicht mehr über Verordnungen geregelt würden, gebe den Arbeitnehmer*innen außerdem eine klare Orientierung, so Mützenich weiter. Er appellierte in dem Zusammenhang an die Verantwortung der Arbeitgeber*innen, „dass sie das möglich machen, was sie zu Beginn der Pandemie offensichtlich konnten. Das müssen sie jetzt wieder tun.“ Ziel der Maßnahmen seien einheitliche Regelungen, auch um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten.
Erleichterungen für Geimpfte
Eine weitere Festlegung im Gesetz: Wer bereits geimpft ist, kann darauf hoffen, bald wie eine Person behandelt zu werden, die negativ auf das Coronavirus getestet wurde – ohne dafür einen Schnelltests gemacht haben zu müssen. Damit entfiele für Geimpfte künftig der regelmäßige Gang in ein Testzentrum, um zum Beispiel vor Ort shoppen zu können – das Einkaufen per Terminvergabe vor Ort, „Click and meet“, soll bis zu einer Inzidenz von 150 erlaubt bleiben, Bundesländer wie Bayern hatten dafür bisher 200 als Grenze gesehen.
Desweiteren soll bei einer Sieben-Tages-Inzidenz über 100 automatisch eine Ausgangssperre gelten. Darüber hatten die Parteien lange gestritten. Die Sperre soll nun gelten ab 22 Uhr, wobei sich Einzelpersonen weiterhin bis 24 Uhr draußen aufhalten dürfen, allerdings nur alleine. Das schließt also auch den Gassigang mit dem Hund nicht aus. Zwischen 24 und 5 Uhr gelten dann nur noch berufliche Gründe, medizinische Notfälle oder ähnliches als Ausnahme. In den Bundesländern oder einzelnen Landkreisen wurden zwischenzeitlich schon Ausgangssperren verhängt, da in den vergangenen Tagen immer mehr Landkreise die Sieben-Tage-Inzidenz von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner*innen überschritten hatten.
Hamburg sieht Wirkung von Ausgangssperren
Während auch auf wissenschaftlicher Ebene der Nutzen von Ausgangssperren umstritten ist, konnte Hamburg positive Auswirkungen der geltenden Einschränkungen vermelden. In der Hansestadt gilt seit zwei Wochen eine Ausgangssperre, allerdings schon ab 21 Uhr. Senatssprecher Marcel Schweitzer erklärte die sinkenden Infektionszahlen in Hamburg mit den geltenden Einschränkungen – und damit auch der Ausgangssperre. „Die Bremswirkung können wir nun in den Zahlen sehen“, sagte er am Montag. Hamburg hat nach Schleswig-Holstein und Niedersachsen gegenwärtig den drittniedrigsten Wert bei der Inzidenz, Tendenz sinkend.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach lobte bezüglich der Einigung auf Bundesebene, dass die Inzidenz von 100 weiterhin Bestand hat und mit der Einigung Lockerungen vermieden würden. Dass Schulen allerdings erst ab einer Inzidenz von 165 geschlossen werden sollen, kritisiert Lauterbach hingegen, beurteilt die Beschränkungen als zu schwach.
Dass es nicht zu einer Testpflicht am Arbeitsplatz gekommen ist, lastet der Genosse indes den Widerständen auf Arbeitgeber*innenseite an. „Was wir Kindern abverlangen, um in die Schule zu dürfen, kann mindestens auch von Erwachsenen verlangt werden. Der Widerstand der Arbeitgeber ist beschämend“, so Lauterbach weiter. Trotz allem sieht der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion Carsten Schneider Durchsetzungsvermögen der Politik gegenüber der Wirtschaft – zugunsten des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten.
Mützenich bekräftigte indes, dass die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes eine geeignete Maßnahme seien, die Pandemie in den kommenden Wochen in den Griff zu bekommen. Dafür appellierte er an die Opposition im Bundestag, den Änderungen am Mittwoch zuzustimmen, wenn das Gesetz in zweiter und dritter Lesung eingebracht wird. Die Anmerkungen der Opposition habe man aufgenommen, auch juristisch kann seiner Ansicht nach die Gesetzesänderung bestehen. Die getroffenen Regeln sollen dem Vernehmen nach zunächst bis Ende Juni befristet sein.
SPD-Fraktionschef verärgert über abgelenkte Union
Etwas verärgert zeigte sich der SPD-Fraktionschef allerdings über den Koalitionspartner. Er könne nicht verhehlen, so Mützenich, dass einige bei den Verhandlungen womöglich nicht ganz bei der Sache gewesen seien. Damit spielte der Sozialdemokrat auf die weiterhin schwelende Auseinandersetzung um die Kanzlerkandidatur in der Union an, während er in Richtung der frisch verkündeten Kandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, Gesprächsbereitschaft für die kommenden Wochen und Monate signalisierte und auch den bereits regelmäßigen Austausch der Fraktionen untereinander betonte.