Offen zu Tage trat der Konflikt vor einigen Wochen in Großbritannien: Die Energieversorger EDF und RWE drohten der britische Regierung damals mit einem Baustopp für neue Kernkraftwerke sollte
an den Ausbauzielen für Erneuerbare Energien festgehalten werden. Explizit fordert EDF den Ausbau der Erneuerbaren Energien auf 25 Prozent zu deckeln.
In Deutschland treten die großen Energieversorger derzeit nicht so offensiv auf. "Die Atomwirtschaft will den Konflikt bewusste aus dem Wahlkampf heraushalten", glaubt
Greenpeace-Energieexperte Andree Böhling.
Negativer Strompreis
Was den Lieferanten von herkömlicher Energie zunehmend zu schaffen macht, ist die wachsende Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren Energien, vor allem aus Windkraft, ins Stromnetz. An
windstarken Tagen ist das Stromangebot bereits größer als die Nachfrage, der Strompreis fällt also.
Da Kernkraftwerke und große Kohlekraftwerke aus Sicherheits- und Kostengründen nicht einfach abgeschaltet oder herunter geregelt werden können, produzieren sie weiter Strom, der nicht
gebraucht wird. Die großen Energieversorger wie EnBW, Vattenfall oder Eon zahlen dann mitunter sogar drauf, um die berflüssige Energie los zu werden. Experten sprechen vom "negativen
Strompreis".
"Im letzten Jahr haben wir dieses Phänomen wiederholt beobachtet", sagt Uwe Leprich, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für ZukunftsEnergieSysteme. Das Phänomen der negativen Strompreise
werde noch häufiger auftreten, glaubt er, denn der Anteil der Erneuerbaren Energien soll weiter steigen, bis auf 30 Prozent im Jahr 2020, so will es die Bundesregierung.
Die auf ununterbrochenen Betrieb ausgerichten Großkraftwerke lohnen sich dann immer weniger, sagt Leprich. "Was wir brauchen sind flexible Kraftwerkseinheiten mit der Windkraft als
Stützpfeiler." Der Wissenschaftler sieht das Ausbauszenario der Bundesregierung bei den Erneuerbaren Energien im Konflikt mit den Plänen der Enerieversorger für neue Großkraftwerke.
Endspiel Bundestagswahl?
Deutlicher wird Greenpeace-Mann Böhling: "Eine friedliche Koexistenz zwischen Erneuerbaren Energien und Kernenergie kann es nicht geben." Er verweist darauf, dass es die großen
Energieversorger in Deutschland schlicht versäumt hätten in Erneuerbare Energien zu investieren. Nur knapp 20 Prozent der Neuinvestitionen flößen in diesen Bereich. Dabei könnten die Erneubaren
Energien die Kernkraft in der kommenden Legislaturperiode überholen, was den Anteil am Strommix betrifft.
Die Betreiber könnten darauf drängen, ihre Kraftwerke maximal laufen zu lassen, glaubt Ralf Bischof vom Bundesverband Windenergie. Der Vorrang Erneuerbare Energien geriete in Gefahr. So
habe RWE bereits gedroht, nicht in die
CO2-Abscheidetechnik zu investieren, sollte der Vorrang für Erneuerbaren erhalten bleiben.
Die kommende Bundestagswahl ist für Greenpeace-Mann Böhling ein "Endspiel" um die Frage, ob es einen endgültigen Ausstieg aus der Kernenergie gibt, "oder ob die Laufzeiten der
Kernkraftwerke verlängert werden".