Verteilungsbericht

Warum Arme in Deutschland meistens arm bleiben

Kai Doering10. Oktober 2016
Armut wird in Deutschland häufig vererbt
Eine Frage der Herkunft: Armut wird in Deutschland häufig vererbt.
Einkommen in Deutschland sind so ungleich verteilt wie nie zuvor. Das geht aus dem „Verteilungsbericht“ hervor, den die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung am Montag vorgestellt hat. Gelinge es nicht, gegenzusteuern, sei der soziale Zusammenhalt ernsthaft in Gefahr.

Wer wenig Geld verdient, bleibt arm, wer bereits wohlhabend ist, kann recht sicher sein, seine Einkommensvorteile auf Dauer zu behalten. Das geht aus dem aktuellen „Verteilungsbericht“ des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervor, der am Montag in Berlin vorgestellt wurde. Demnach hat die Ungleichheit bei der Einkommensverteilung in Deutschland einen neuen Höchstwert erreicht.

Soziale Aufstiege gelingen immer seltener

„Arm bleibt arm und reich bleibt reich – das gilt aktuell noch deutlicher stärker als vor 20 Jahren“, sagt die wissenschaftliche Direktorin des WSI, Anke Hassel. Sei es zwischen 1991 und 1995 noch 58 Prozent der Armen gelungen, in eine höhere Einkommensgruppe aufzusteigen, waren es zwischen 2009 und 2013 nur noch 50 Prozent gewesen. Allein der Anteil der Aufstiege in die untere Mittelschicht sei in knapp 20 Jahren um zehn Prozentpunkte zurückgegangen.

Vor allem an den Rändern haben die WSI-Forscher einen Stillstand ausgemacht: Wer über deutlich weniger als das mittlere Netto-Haushaltseinkommen verfügt, verharrt dort meist ebenso wie diejenigen, deren Verdienst deutlich darüber liegt. Und auch regional gibt es Unterschiede. So ist die Einkommensungleichheit in Ostdeutschland weitaus ausgeprägter als in den westlichen Bundesländern.

Die Leidtragenden andauernden Armut sind die Kinder

„Die Verfestigung der Armut ist besonders problematisch“, warnt Dorothee Spannagel. Die Verteilungsexpertin des WSI hat für den Bericht in den vergangenen Monaten zahlreiche Daten ausgewertet. „Aus der Forschung wissen wir: Je länger eine Armutssituation andauert, desto stärker schlägt sie auf den Alltag durch“, sagt sie. Besonders auf Kinder wirke sich lange Armut negativ aus.

Denn die Erfahrung zeigt, dass die Kinder armer Eltern später häufig selbst arm sind. „In kaum einem anderen Land hängen die Chancen so stark von der Herkunft ab wie hierzulande“, sagt Dorothee Spannagel. Zu erklären sei das „vor allem mit der sehr hohen Bildungsungleichheit“. Bildung sei in Deutschland stark vom sozialen Hintergrund des Elternhauses abhängig. Das Risiko, gegenüber den Eltern sozial abzusteigen, sei zudem in den vergangenen Jahren noch deutlich gestiegen.

Wo die Politik gegensteuern muss

Hier sieht das WSI auch die Politik in der Pflicht. Neben weiteren Reformen im Bildungssystem, etwa eine gezielte frühkindliche Förderung von Kindern aus sozial benachteiligten Familien, seien Verbesserungen am Arbeitsmarkt zentral. Besonders Geringqualifizierte und Migranten, die überdurchschnittlich stärker von Arbeitslosigkeit bedroht sind, müssten besser mit Qualifikations-, Bildungs- und Beratungsangeboten unterstützt werden.

Gelingt es nicht, gegenzusteuern, könnten die Folgen weitreichend sein. Die derzeitige „Gemengelage“ gefährde den sozialen Zusammenhalt in Deutschland und verletze das Prinzip der Chancengleichheit, warnen die WSI-Forscher. „Viele dieser Entwicklungen vollziehen sich nicht in spektakulären Sprüngen, sondern langsam, aber recht kontinuierlich und selbst bei guter wirtschaftlicher Lage“, mahnt WSI-Direktorin Anke Hassel. Das mache sie besonders gefährlich, da politischer Handlungsdruck lange übersehen werden könne. „Dabei ist es höchste Zeit, gegenzusteuern.“

Wie kann die SPD für mehr Gerechtigkeit sorgen?

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Kommentare

Um den heissen Brei herumgeredet.

Die Ursache für die ansteigende Einkommensungleichheit und Armut ist in der SPD&Grünen Agenda 2010 begründet.

O-Ton Schröder 2005 in Davos vor den Finanzeliten Europas:
"Wir haben unseren Arbeitsmarkt liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt. [...] wir haben bei der Unterstützungszahlung Anreize dafür, Arbeit aufzunehmen, sehr stark in den Vordergrund gestellt."

Schröders Anreize waren eine zerstörte Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenhilfe, eine Entwertung der Lohnarbeit sowie eine entfernte Lohnuntergrenze, nur letztere wurde erst 10 Jahre später mit dem Mindestlohn wieder eingezogen: die Drohungen, Zwänge und Strafen des SGB II blieben bestehen und wurden jüngst durch Frau Nahles noch verstärkt.

Dank SPD&Grünen stürzen die Menschen bei Arbeitslosigkeit jetzt sehr schnell ins Nichts.

Jetzt hülfe eine aufeinander abgestimmte Wirtschafts-, Finanz-, Steuer-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik.

Beginnen müsste man mit der Wiederherstellung einer ordentlichen Arbeitslosenversicherung sowie der Förderung von Erhaltungs- und Aufstiegsqualifikationen, die das 1998 abgeschaffte Arbeitsförderungsgesetz leistete..

Die Ungleichheitslügner sind unterwegs!

Es wird höchste Zeit, das Thema "soziale Ungleichheit" im Lande aufzugreifen! Das treibt die Menschen um! Das sind ihre Alltagssorgen! Vor dem Hintergrund der Abgehängten, der unteren/mittleren/oberen Schichten sowie der Superreichen sich Gedanken über die Gesellschaft von morgen zu machen. Die aus der heutigen Ungleichheit resultierenden Parallelgesellschaften (ja, diese gibt es bereits in unserem Lande auch ohne uns auf Moslems oder Flüchtlinge zu fixieren!) infrage zu stellen!
Wie ist diese Ungleichheit entstanden? Aber noch wichtiger? Wie werden wir sie wieder los? Wer kämpft dagegen, indem er - zu wessen Nutzen? - diese Ungleichheit leugnet - wie die Gegner des Klimawandels auch diesen leugnen? Genaugenommen ist die Ungleichheit das Ergebnis einer "immerwährenden Umverteilung", wie sie in unseren Steuer- und Abgabensystemen seit Jahrzehnten verankert ist! Warum eigentlich? Muß das so sein? Das bereitet Sorgen und Unzufriedenheit in unserer Gesellschaft! Diese aufzugreifen und zu beseitigen müßte eigentlich Kernthema unserer etablierten Parteien sein, wenn sie den rechten Populisten das Wasser abgraben wollten!

Post-Fakten-Welt?
http://youtu.be/QqoSPmtOYc8

Agenda 2010

und die damit erfolgte Schwächung von Arbeitnehmern war sicher mit ein Grund für die Zunahme der Armut.. die SPD lobt sich immer noch dafür.... in wirklichkeit hat das die Mittelschicht massiv geschwächt, auch bei der Durchsetzung von Löhnen... DE redet über Fachkräftemangel ausgerechnet auch in Bereichen mit niedrigem Lohnniveau und wo Frauen arbeiten, die kaum höhere Löhne durchsetzen können wie Pflegeberufen, ein Pflegehelfer, die in Nord-DE mit die Grundversorgung gewährleisten, bekommt in Nord-DE nur 10 bis 12 Euro Brutto ausgezahlt.... DE muss die Gehälter von Frauen und Geringverdienern anheben, damit sie nicht in Armutsfalle und Altersarmut landen... die mit den armen Kindern sind dieselben, die altersarm werden in DE --- das spielt keine Rolle, ob Altersarmut oder Kinderarmut, es ist dieselbe Zielgruppe... beschämend ist in DE die Armut Alleinerziehender, das lässt man auch einfach so schleifen, obwohl man weiß, das kinder Armutsriiko sind.

und dann hat DE eines der verschlossensten Bildungssysteme der Welt , v.a. im Vergleich mit Skandinavien und angelsächsischen Ländern, gerade auch die Berufsbildung und deren mangelnde Fortbildungsoptionen und Umschulungsmangel

Ist die SPD eigentlich in der Regierung?

Man fragt sich immer wieder wieso die SPD, die sich ja eigentlich als soziale Partei versteht, nicht in der Regierung das macht, was sie laufend verspricht?

Jetzt ein Jahr vor der Wahl dreht sich wieder mal alles ums Thema Soziales und was man nach den nächsten Wahlen umsetzen will. Warum nicht Jetzt? Weil die CDU/CSU nicht mitspielt? Lächerlich! Rot-Rot-Grün hätte im Bundestag die Mehrheit. Man könnte sofort, wenn man denn wollte!

@ Naumburger

„Rot-Rot-Grün hätte im Bundestag die Mehrheit. Man könnte sofort, wenn man denn wollte!“ Genau! Und weil das so ist, loten Abgeordnete der SPD die Chancen auf R2G gerade aus: http://www.vorwaerts.de/artikel/r2g-spd-abgeordnete-suche-rot-rot-gruen

Viele Grüße aus der
vorwärts-Redaktion

Chancen auf R2G im Bund?

Meinen Sie das Ernst oder hat sich hier ein Witzbold eingeschlichen? Im Bund wird es keine Chancen auf R2G geben. Dazu müsste sich die SPD neu erfinden. Allerdings werden die Sondierungsgespräche bitter nötig gebraucht für die nächste Bundestagswahl. Sie SPD braucht dringend etwas soziales, etwas Linkes. Sie feuert Versprechen über alle Kanäle, für jeden etwas, alles wird beim nächsten Mal besser. Doch fehlt mir recht der Glaube. Zuviele, zu lange Lügen. Ich wette: nach der Wahl, wo man zuvor ein R2G Bündnis versprochen hat, wird folgendes passieren. Die SPD wird traurigerweise feststellen, das die Schnittmengen, die Programme, die Personen nicht zusammenpassen. Und im Intresse Deutschlands wird man sich schweren Herzen davon verabschieden und die CDU/CSU nehmen.

Ich möchte daran erinnern, das die SPD bei der letzten Wahl den Kanzler hätte stellen können und heute regieren könnte und schon längst eine sozialere Politik möglich gewesen wäre. Und das wo man heute mitregiert, trägt das sozialdemokratische Handschrift? Was Frau Nahles macht, könnte glatt von der CSU oder AfD stammen.

Herr Gabriel könnte nächste Woche Kanzler sein

Dietmar Bartsch - "Herr Gabriel könnte nächste Woche Kanzler sein"

Linken-Fraktionschef Bartsch sieht die Zeit für eine rot-rot-grüne Bundesregierung gekommen und ruft zum Sturz der Kanzlerin auf. Auch in strittigen Fragen könnten sich SPD, Grüne und Linke einigen.

Und was sagt die SPD? NEIN. Erst muß sich die Linke ändern.