100 Jahr ILO

Arbeitnehmerrechte – Wie die Zukunft der Arbeit gestaltet werden muss

Thorben Albrecht22. Januar 2019
Auch in Zeiten des technologischen Wandels muss der Mensch im Mittelpunkt der Arbeitselt stehen, so die Forderung der ILO.
Die Digitalisierung der Arbeitswelt ist nicht nur ein technologischer, sondern auch sozialer Prozess
100 Jahre wird die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) alt. In Genf stellt sie am Dienstag einen Bericht zur „Zukunft der Arbeit“ vor. Warum es in einer sich dramatisch verändernden Arbeitswelt grundlegende Rechte für alle Arbeitenden geben muss, erklärt Thorben Albrecht in einem Gastbeitrag für den vorwärts.

Nach Ende des Ersten Weltkriegs wurde vor einhundert Jahren die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) gegründet, weil Regierungen, Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen der Auffassung waren, dass soziale Gerechtigkeit die Voraussetzung für dauerhaften Frieden und Stabilität ist. In der Überzeugung, dass dieser Grundsatz immer noch richtig und vor dem Hintergrund global zunehmender Ungleichheit und disruptiver Veränderungen in der Arbeitswelt auch immer noch aktuell ist, hat die Globale Kommission für die Zukunft der Arbeit der ILO einen Bericht vorgelegt, der Antworten die Herausforderungen von heute geben soll.

Grundlegende Rechte für Arbeitende

Wir sind dabei überzeugt, dass technologische Fortschritte wie künstliche Intelligenz und Robotik neue Arbeitsplätze schaffen werden. Aber es wird massive Veränderungen in und zwischen verschiedenen Regionen, Branchen und Berufen geben. Deshalb brauchen Arbeitnehmer*innen aktive Unterstützung, wenn wir sicherstellen wollen, dass niemand zurückbleibt. Der „Mensch im Mittelpunkt“ ist deshalb das Leitmotiv der Empfehlungen der Kommission. Das gilt vom anzustrebenden Wirtschaftsmodell bis zur Forderung, dass in der Arbeitswelt der Mensch die Letztentscheidung behalten muss und diese nicht an Künstliche Intelligenz abgegeben werden darf.

Dazu gehört aber auch, dass es grundlegende Rechte geben muss, die allen Menschen zustehen, die von ihrer Arbeit leben – unabhängig von ihrem rechtlichen Beschäftigungsstatus und auch für neue Beschäftigungsformen zum Beispiel bei der durch Plattformen vermittelte Arbeit. Deshalb fordert der Bericht eine „Allgemeine Garantie für Arbeitende“, die grundlegende Rechte für alle Formen sicherstellt.

Arbeitnehmerrechte verankern

Das Recht auf Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen kann nicht auf traditionelle „abhängige Beschäftigte“ beschränkt bleiben. Auch für sie muss das Verbot der Zwangsarbeit, die Abschaffung von Kinderarbeit sowie das Verbot der Diskriminierung gelten. Und auch sie haben Anrecht auf einen für den Lebensunterhalt angemessenen Lohn, Höchstarbeitszeiten sowie sichere und gesunde Arbeitsplätze.

Technologie –  einschließlich künstlicher Intelligenz, Robotik und Sensorik – birgt unzählige Möglichkeiten, die Arbeit zu verbessern. So kann z.B. Blockchain-Technologie es Unternehmen und Sozialpartnern erleichtern, die Arbeitsbedingungen und die Einhaltung des Arbeitsrechts in Lieferketten zu überwachen. Die digitale Technologie stellt aber auch neue Herausforderungen an menschenwürdige Arbeit. So bieten digitale Arbeitsplattformen zwar vielen Arbeitnehmer*innen in verschiedenen Teilen der Welt neue Einkommensquellen. Aber gleichzeitig macht es die Zusammenarbeit über verschiedene Rechtsräume hinweg schwierig, Arbeitnehmerrechte zu verankern.

ILO-Regeln notwendiger denn je

Die Arbeit auf Plattformen wird manchmal schlecht bezahlt, oft unter den geltenden Mindestlöhnen, und es gibt keine Mechanismen zur Bekämpfung ungerechter Behandlung. Deshalb habe ich in die Kommission die Idee eines internationalen Governance-Systems für digitale Arbeitsplattformen eingebracht, bei denen Arbeit nur in Form von Daten und grenzüberschreitend ausgetauscht wird. Hier fordert unser Bericht internationale Regeln, die verpflichtend in den ILO-Mitgliedstaaten umgesetzt werden müssen. Da sich zudem Plattformen schnell weiterentwickeln, müssen die Regelungen iterativ angepasst werden, so wie es ähnlich bei den ILO-Regeln für die Seeschifffahrt bereits heute der Fall ist.

Die Zukunft der Arbeit ist eine zentrale Gestaltungsaufgabe unserer Zeit – in Deutschland, in der EU und auf globaler Ebene. Die Verfassung der ILO von 1919, die durch die Erklärung von Philadelphia von 1944 bekräftigt wurde, ist der wohl ehrgeizigste globale Sozialvertrag der Geschichte. Es ist nun an der Zeit, diesen Sozialvertrag wiederzubeleben, um den Herausforderungen gerecht zu werden, vor denen wir heute aufgrund dramatischer Veränderungen in der Arbeitswelt stehen. Dabei kann und muss die Sozialdemokratie die führende Rolle einnehmen – als Partei der Arbeit und der sozialen Gerechtigkeit.

Arbeit 4.0: Wie sieht die Arbeitswelt von morgen aus?

weiterführender Artikel

Kommentare

ILO und tarifliche Sozialpartnerschaft

Obwohl Deutschland nicht zu den Gründungsmitgliedern der ILO gehört, kann es sein Doppelmodell von Tarifierung sozialpolitischer Ziele wie Aufsicht von ILO Abkommen über deren Verwaltungsrat sehen lassen. Dennoch sind eine Transparenz und Kommunikation aktueller Entwicklungen sowie die stärkere Einbindung der Bundesländer erforderlich.

Aber obwohl die überwiegende Zahl an ILO Abkommen ratifiziert oder in Gang gesetzt wurden, weigern sich die Freistaaten Sachsen und Bayern das ILO Abkommen 140 umzusetzen. Dabei ist dieses Abkommen der wesentliche Beitrag, um selbst bestimmt zivilgesellschaftliche Kräfte freizusetzen, damit der zunehmenden Autoritarisierung der Parlamente durch Antidemokraten für Deutschland [AfD] ein Riegel vorgeschoben wird.

Dies wird auch Folgen für die Privatwirtschaft haben. Die Demokratisierung von Wirtschafts- und Arbeitsleben lässt noch vieles zu wünschen übrig. Die Flucht der Arbeitgeberverbände ohne Tarifbindung [o.T.] in den wirtschaftlichen Wilden Westen kann und muss parlamentarisch wie föderal gelöst werden. Diese verfassungsrechtliche Klärung kann nicht über ILO Abkommen erfolgen.

Die Sozialpartnerschaft droht ein Lippenbekenntnis zu werden.

Arbeitnehmerrechte

Ergänzend zu den leider zutreffenden Aussagen von Matias Leao Rau muss erwähnt werden, dass in den Freihandelsabkommen TTIP, Ceta etc. ebenfalls die ILO-Regelungen regelrecht unterlaufen werden.
In ähnlicher Weise ist zu monieren, dass leider immer noch kein Gesetz zur Arbeitnehmerhaftung, das die SPD bereits 1989, 1993 und 1995 in verschiedenen Gesetzesinitiativen gefordert, dann aber nicht mehr weiterverfolgt hat, beschlossen wurde. Eine entsprechende Anfrage, die ich an Minister Heil gerichtet habe, blieb bisher unbeantwortet.

Hochheim

Hallo, Herr Albrecht,

in einem Bericht im Deutschlandfunk fiel im Rahmen von ilo Ihr Name.
Sind Sie in den Siebzigern in Hochheim am Main zur Weinbergschule gegangen? Ich meine Ihre Stimme und Art des Sprechens wiedererkannt zu haben.

Christel Kuhn
Danziger Allee 61c
65239 Hochheim
Tel: 06146-3513
christelkuhn@t-online.de