Pflege-Debatte

Arbeitgeber: „Mit Fakten gegen die Fakenews in der Altenpflege kämpfen“

Thomas Greiner10. Juli 2018
Thomas Greiner, Chef der Pflege-Arbeitgeber: „Wir müssen die Lösungen großmachen, und nicht die Probleme.“
Thomas Greiner, Chef der Pflege-Arbeitgeber: „Wir müssen die Lösungen großmachen, und nicht die Probleme.“
Der Arbeitgeberverband Pflege fordert weniger Ideologie und mehr Pragmatismus in der Pflegedebatte. Sein Präsident Thomas Greiner wendet sich gegen ein mediales Feuerwerk depressiver Meldungen. In seinen zehn Punkten für eine bessere Altenpflege stellt er klar: Gegen Probleme in der Pflege sei bessere Bezahlung kein Allheilmittel.
  1. Wenn Bundesministerin Franziska Giffey bei der Eröffnung der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) dazu aufgefordert hat, auch einmal positiv über das zu sprechen, was in der Pflege alles funktioniert, dann kann man ihr dafür nur dankbar sein. Nur wer von sich selbst überzeugt ist, kann andere überzeugen. Wer will schon dort arbeiten wo der angebliche „Pflegenotstand“ herrscht?
     
  2. Wir müssen mit Fakten gegen die Fakenews in der Altenpflege kämpfen. Fakt ist: von 1999 bis 2015 haben über 460.000 Menschen begonnen, in der Altenpflege zu arbeiten. Wie kann man da zum Ergebnis kommen, dass niemand in der Altenpflege arbeiten möchte? Wir haben Jahr für Jahr Ausbildungsrekorde in der Altenpflege. Im vergangenen Jahr haben 28.000 junge Menschen die Ausbildung zur Altenpflegefachkraft begonnen. Wie kann man dann schreiben, dass dieser Beruf ein Problem mit jungen Menschen hat, wenn derzeit insgesamt über 65.000 Jugendliche in der Altenpflege ausgebildet werden? Oder: das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit hat nachgewiesen, dass Pflegekräfte mit die höchste Berufstreue haben (19 Jahre lt. Bundesagentur für Arbeit). Wem nützt dieses mediale Feuerwerk an depressiven Meldungen?
     
  3. Deutschlandweit gibt es in der Altenpflege ausreichend Hilfs- und Betreuungskräfte. Wir brauchen mehr Fachkräfte. Deshalb: Wir sollten schnellstmöglich 15.000 Hilfskräfte zu Fachkräften weiterbilden. Wir sollten das Modell unseres Mitgliedsunternehmens Vita Akademie aus Niedersachsen bundesweit ausrollen. Dabei werden Hilfskräfte in einem Modulsystem von 188 Stunden in der medizinischen Behandlungspflege umfassend qualifiziert. Nach erfolgreichem Abschluss könnten die so qualifizierten Hilfskräfte auf die Fachkraftquote angerechnet werden. Deshalb:
     
  4. Umstellung auf ein dreistufiges Qualifikationsmodell wie es ähnlich in der Schweiz und in Österreich gut funktioniert. Deshalb:
     
  5. Mehr Hilfs- und Betreuungskräfte, weniger Fachkräfte. Fachkräfte machen ausschließlich medizinische Behandlungspflege. Wegfallende Fachkraftstellen werden mit dem Faktor 1,2 in Betreuungs- bzw. Hilfskraftstellen umgewandelt.
     
  6. In einem Sofortprogramm sollten wir 15.000 ausländische Fachkräfte nach Deutschland holen. Dafür benötigen wir eine Anlaufstelle beim Bundesgesundheitsministerium oder beim Bundesarbeitsministerium, die für ganz Deutschland die Anerkennung aller ausländischen Abschlüsse prüft und abschließend entscheidet, dies solange, bis das Einwanderungsgesetz von Herrn Heil steht und funktioniert.
     
  7. Wir brauchen weniger Ideologie und mehr Pragmatismus. Die Generalistik in der Pflegeausbildung bringt Gewinner und Verlierer. Gewinner sind die Krankenhäuser, die großen Städte und die Abiturienten. Verlierer sind die Altenheime, das flache Land und die Hauptschüler. In der Umsetzung müssen wir alles dafür tun, dass nicht mit den Füßen abgestimmt wird. Viele Hauptschüler trauen sich die Ausbildung nicht mehr zu und die Unternehmen bilden wegen des entstehenden generalistischen Bürokratiemonsters nicht mehr aus.
     
  8. Bessere Bezahlung ist kein Allheilmittel. Heute zahlt das Krankenhaus mehr als das Altenheim und hat trotzdem große Personalsorgen. Die Schweiz zahlt besser als Deutschland und hat ebenfalls Personalsorgen. Wenn wir eine bessere Bezahlung der Altenpflege wollen, dann gibt es nur einen Weg. Die (eventuelle vergrößerte) Kommission zur Festlegung von Mindestarbeitsbedingungen in der Pflege. Dort verhandelt ver.di mit allen Arbeitgebern, dort sind die Kirchen eingebunden, dort braucht es keinen Tarifausschuss. Dort droht am wenigsten eine Prozessflut. Außerdem hat die einst vom Bundesfinanzminister Olaf Scholz erfundene Kommission schon dreimal bewiesen, dass sie nach harten Verhandlungen gute Ergebnisse - etwa beim Pflegemindestlohn - erzielen kann.
     
  9. Wir müssen die Kosten und damit die Zuzahlungen im Auge behalten. Wenn man die Vorschläge betrachtet, vom allgemeinverbindlichen Tarifvertrag auf dem Niveau des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (Karl-Josef Laumann), Ost-West-Angleichung bei der Bezahlung, bundeseinheitliche Personalschlüssel, gleiche Bezahlung im Altenheim wie im Krankenhaus etc., dann muss man fragen: denkt hier jemand an die gewaltigen Steigerungen bei den Zuzahlungen für alte Menschen und Kommunen.
     
  10. Unser Anspruch muss eine gute und bezahlbare Pflege für alle sein. Wir müssen die Lösungen großmachen, und nicht die Probleme.
Was muss sich in der Pflege ändern?
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Kommentare

völlig falsches Finanzsystem und extreme Ungleichheit

Wir haben zwar Geld für Rüstung, aber eben gerade nicht für die Pflege, weil das System zwar Verschuldung braucht, damit es nicht kollabiert, wir uns aber keine Inflation leisten können.
Als einzige Lösung sehe ich zurzeit eine globale Reform des Geldwesens. Die Ungleichheit ist extrem. Damit hat unser Finanzsystem sehr viel "Pulver verschossen", so dass es mit der Zeit immer schlechter funktionieren muss. Außerdem gibt es bei der Funktionsweise unseres Geldes grobe Logikfehler, so dass man es im Grunde genommen bereits weiß, dass es nicht mehr sehr lange funktionieren kann.
Die Geldentstehung als Schuld bei den Banken ist völlig unlogisch.
Außerdem funktioniert beispielsweise das Sparen nur mit Verschuldung, was in keiner Weise nachvollziehbar ist.

Komplett daneben - Lobby pur !

Wer selbst Bertroffene/r des derz. Pflegesystems ist, egal ob als privat Pflegende/r oder angestellte Pflegekraft oder einen kleine Pflegedienst gegründet hat, kann den Beitrag vom Präsidenten des Arbeitgeberverbandes Pflege, Thomas Greiner, nur als eine dreiste Unverschämtheit empfinden. Auch oim Pflegebereich fand unter Groko-Regierung ein Ausverkauf der öffentlichen Daseisnvorsorge statt ! Das Pflege sehr gut und mit schwarzer Null funktionieren kann, zeigen 9 kommunale Pflegeeinrichtungen in Leipzig !
Wenn bei großen privaten Pflegegiganten mit Renditen bis 8 % geworben wird und deren Vorstände Gehälter v. 450.000 EUR/Jahr plus. nochmals dasselbe nach Zielerreichung der 8 % obendrauf, dann kann menschenwürdige Pflege nicht mehr funktionieren ! Dann ist der Reibach das oberste Ziel ! Kein auch nur halbwegs interessierter Mensch würde bestreiten, dass es zu wenig Krafte in der Altenpflege gibt und dass die Kräfte die es gibt in aller Regel unterbezahlt sind ! Was dieser Mensch hier im SPD-Parteiorgan unwidersprochen von unsereren Parteivorderen ablässt ist unsäglich !

https://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendun...

Was hat sich getan ? So gut wie nichts zum Positiven !

Hier ein Beitrag aus 2015 zur damals geplanten Pflegereform:
https://www.deutschlandfunk.de/alt-dement-bettlaegerig-droht-in-deutschl...

Heute: Menschenunwürdige Zustände tlw. mit kriminellem Charakter:

Klagemöglichkeiten eingeschränkt wie der Beitarg "Pflegeaufstand! v. 16.07.2018 (ARD) zeigte !

"Das Pflegeproblem" (Deutschlandfunk)
https://www.deutschlandfunk.de/politik-und-gesellschaft-das-pflegeproble...

"Unsere Nachbarn" (Deutschlandfunk)
https://www.deutschlandfunk.de/herausforderung-pflege-wie-machen-es-unse...

"Teure Heimpflege" (deutschlandfunk
https://www.deutschlandfunk.de/teure-heimpflege-das-kann-ich-mir-nicht-l...

Aufnahmestopp im Seniorenheim (Deutschlandfunk)
https://www.deutschlandfunk.de/pflegekraefte-mangel-in-deutschland-aufna...

Hält die neue Pflegereform ihr Versprechen ? Diskussion (Deutschlandfunk)
https://www.deutschlandfunk.de/versorgung-haelt-die-neue-pflegereform-ih...

Wer als Präsident des

Wer als Präsident des Arbeitgeberverbandes Pflege eine solche untragbare, menschenverachtende Bilanz mitzuverantworten hat, sollte umgehend von seinem Amt zurücktreten oder "zurückgetreten werden" und dieses ambitionierteren Menschen überlassen, die die Menschen und nicht den maximalen Profit zum Ziel ihrer Arbeit machen. Gleiches gilt für die Politiker die mangels Rahmensetzung für den anhaltenden Pflegenotstand verantwortlich sind ! Dass der Fehler im System liegt darf für keine/n der Beteiligten eine Ausrede sein !! Das System kann und muss umgehend geändert werden ! Dennoch gibt es, wie u.a. beispielsweise 9 kommunale Pflegeeinrichtungen in Leipzig zeigen, auch Beispiele wie unter schlechten bundespolitischen Rahmenbedingungen auch Pflege noch funktionieren kann !!!

kurzfristige Renditeziele widersp. langfr.Unternehmensstrategien

Wichtiger Grundsatz den man wohl schon im 1. Semester des Betriebswirschaftslehrestudiums gelernt haben sollte, ist der, dass kurzfristige Renditeinteressen in den allermeisten Fällen den langfristigen Unternehmenszielen widersprechen ! Spätestens nach dem Studium sollte man begriffen haben, das Politik. Lobbyinteressen hin oder her, früher oder später auf Missstände reagieren muss ! Missstände zu ignorieren ist folglich das gleiche wie die Unternehmensziele zu ignorieren ! Und wer als Präsident eines Arbeitgeberverbandes die Unternehmensziele bzw.die Verbandsziele ignoriert, sollte umgehend seine Platz freimachen ! Bitte Herr Greiner, jetzt sind Sie an der Reihe !
Vorgemacht hat es Ihnen Herr Wissmann als Präsident des Verbandes der dt. Automobilindustrie im Laufe der immer noch nicht restlos aufgeklärten Skandalen und Missständen in der deutschen Automobilindustrie. Sie sind auf demselben Nveau ! Machen auch Sie ihren Platz frei !

Investigativjournalismus soll erschwert werden !!!?

Achtung ! Nach aktulellen Meldungen (Deutschlandfunk u.a. ) soll Investigativjournalismus laut Gesetzesentwürfen in Deutschland und EU-weit erschwert werden. Der deutsche Gesetzesentwurf seiht nach akt.Meldungen noch größere Erschwernisse für Whistleblower vor als der EU-Entwurf !!!
Ein Skandal ! Wie wichtig unabhängiger Investigativjournalismus ist, zeigen die aufgedeckten Skandale der Auto- und Pflegeindustrie !!!
Auf die barrikaden ! Damit Politik nicht den Industrie- und Handelslobbyisten und ihren teils willfährigen Handlangern in der EU und nserer Groko-Regierung überlassen bleibt !!!
www.plattform.pro

Von Trump gelernt ?

Mir fährt ein kalter Schauer über den Rücken, wenn, wie hier geschehen, ein Lobbyist (ehemaliger Regionalvorsitzender von "Junge Union") die Gelegenheit nutzen kann, nach Art von Trump und Schema der AFD, unkommentiert von der Vorwaerts-Redaktion, die unabhängige Medienlandschaft und ihre Glaubwürdigkeit mit der Bezeichnung "Fake-News" in Frage zu stellen !
Gerade in Zeiten in denen öffentlich-rechtliche Medien (heute wird gerichtlich über den Rundfunk.Beitrag entschieden !) unter Beschuss von Medienvertretern der lobby- u. werbebezahlten Medien stehen, Lobbyisten ihre politischen Handlanger sowie demokratiefeindliche Parteien die unabhängigsten Medien, die Öffentlich-Rechtlichen angreifen, darf ein solch absurder Beitrag wie der von Lobbyist Greiner niemals redaktionell unkommentiert veröffentlicht werden ! Liebe Leute hier ist etwas gewaltig schiefgelaufen

Kein Fakenews - traurige Wahrheit

Dass die Rahmenbedingungen der Groko-:Politik den Renditeinterssen von Großkonzernen und ihren Aktionären dient und nicht dem Wohl der Menschen, belegt dieser Beitrag des ZDF:

https://www.zdf.de/nachrichten/heute/private-investoren-bei-deutschen-pf...

inkonsistente Argumentation zum Zwecke der Ausbeutung !

Die Argumenattion von Pflegeindustrielobbyist Greiner ist widersprüchlich und inkonsistent. Bei Punkt 3 behauptet er allen Ernstes es gäbe deutschlandweit genug Pflege- und Betreuungskräfte während er unter Punkt 5 mehr Hilfs- und Betreuungskräfte fordert ! Ja was nun ? Und was hat Herr Greiner gegen Tariflohn in der Pflege ? Dieses Ansinnen bestätigt doch gerade die Berichterstattung über maximale Gewinnerzielungsabsichten in der Pflegeindustrie zu Lasten der Versorgung ! Diese Pflegeinstitute werden doch nicht von ihren Pflegekräften ausgebeutet, sondern von denen die zugunsten von Aktionären die "Zitrone" auspressen ! Und wenn die deutschen Pflegekräfte sich wehren, dann schreit er nach "Billigleuten" aus dem Ausland ! Ja, hallo? Benötigen Polen und andere Länder nicht selbst ihre Pflegekräfte oder gibt es dort die ewige Juged ? Hier solle wohl wieder deutsche Arbeitnehmer gegen Billigkonkurrenz aus dem Ausland ausgespielt werden ! Absurd ! Und bei seinem 3-stufigen Modell sollen wohl ein Großteil der Pflegefachkräfte zu weniger Lohn "degradiert " werden mit dem Scheinargument dass ja nicht alle medizinisch tätig sein müssen !
Belege für fortgesetzte Ausbeutung !

Carlo Ermark, Sie legen den

Carlo Ermark, Sie legen den Finger tief in die Wunde und haben absolut Recht.
Wahrscheinlich soll das gestern im Bundestag verabschiedete Teilhabechancengesetz, spricht staatlich bezahlte Zwangsarbeit unter Kontrolle der Jobcenter, die Wende bringen. Die Pflegeheimbetreiber sehen schon jetzt die Sonne aufgehen, ob dann Chaos pur herrscht interessiert nicht, die Kopfzahl wird dann stimmen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass in nicht allzu ferner Zeit auch Migranten im dem Projekt untergebracht werden. Ein wahres Geschenk an die Eigentümer.

Die Wissenschaft meldet sich zu Wort !

Sehr gefreut hat mich die Veröffentlichung des Artikels von Prof. Remmers (UNI Osnabrück) zum Thema "Pflegenotstand und die Ursachen" !
Schön wäre es wenn weitere wissenschaftlche Beiträge auch zu anderen Themen im "Vorwaerts" folgen dürften. Ein wichtiger Beitrag auch für den inhaltlichen Erneuerungsprozess unserer SPD.
Sicher kein "Fake-News" !

https://www.vorwaerts.de/artikel/gewinnstreben-fuersorge-pflege-unvereinbar