Die Fachkonferenz "Arbeit von morgen - gerecht verteilt und gesund?!" in der
Friedrich-Ebert-Stiftung Ende Juni lud Expertinnen und Experten, Interessierte und Betroffene zur Diskussion um gesunde Arbeitsverhältnisse ein. Im Mittelpunkt
standen dabei auch Konzepte aus Dänemark und den Niederlanden sowie deren Übertragbarkeit auf Deutschland.
Teilhabe an Erwerbsarbeit und zunehmende Prekarisierung
So genannte atypische Beschäftigungen, zum Beispiel Teilzeit, Befristung, Leiharbeit, Selbstständigkeit hätten zugenommen. Insgesamt seien davon mehr Frauen als Männer betroffen,
kritisierte Hartmut Seifert vom
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung einleitend die Entwicklung von Arbeitsverhältnissen. "Die Regulierungen
und Deregulierungen des Arbeitsmarktes seit Mitte der 80er Jahre haben die Expansion atypischer Beschäftigung gefördert." Die Deregulierung durch die Hartz-Gesetze habe ihr übriges getan:
Leiharbeit, die Subvention von Mini- und Midijobs etc.
In atypischen Beschäftigungen seien auch die Gesundheitsrisiken größer. Ein Befund den Nico Dragano vom Institut für Medizinische Soziologie an der Universität Düsseldorf empirisch
bestätigte. Zu den Hochrisikogruppen gehören u.a. Zeitarbeiter, aber auch Berufsanfänger. Der Grund dafür seien Stress, Angst und Unfälle. Werden Qualifizierungsmaßnahmen,
Mitbestimmungsmöglichkeiten und Wege der persönlichen Entfaltung in Arbeitsstätten vermindert, erhöhen sich die Gesundheitsbeschwerden bei den Arbeitnehmenden, erklärte auch Peter Richter von
der TU Dresden. Die statistischen Befunde sind eindeutig: Prekäre Arbeitsverhältnisse und die damit verbundenen ebenfalls prekären Lebensverhältnisse gefährden die Gesundheit und zerstören
soziale Beziehungen, so Richter weiter.
"Starting Strong!"
Wer eine schlechte Ausbildung hat, wird eher in prekären Arbeitsverhältnissen verharren, das zeigen nicht zuletzt aktuelle Ergebnisse der OECD, so Seifert. Auch Hubertus Heil,
stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, sieht in besserer Bildung eine Möglichkeit in der Arbeitswelt nachzujustieren. Alarmierend sind für ihn die zahlreichen Schulabgänger
ohne Abschluss, die sehr schlechte Chancen für eine solide Ausbildung mitbringen und damit auch die denkbar schlechtesten Ausgangsbedingungen auf dem Arbeitsmarkt haben.
Unternehmenskultur als Stellschraube
"Wenn in die Unternehmenskultur investiert wird, dann stimmt auch der Arbeitsschutz", steht für Andreas Horst von der AG "Neue Kultur der Arbeit" des Bundesministeriums für Arbeit und
Soziales fest. Ein Drittel des Finanzerfolges von Unternehmen liege in einer günstigen Unternehmenskultur. Menschen mit psychischen Krankheiten scheiden, so Horst, zudem früher aus
Arbeitsverhältnissen aus. Bedenklich sei dies vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und dem damit verbundenen drohenden Defizit an qualifizierten Beschäftigten. Sein Fazit: "Ein starker
Betrieb muss auch ein gesunder Betrieb sein." Arbeitgeber sollten, so argumentiert Seifert, in die Gesundheit ihrer Belegschaft investieren. Langfristig würde sich das auszahlen. Durch
kurzfristiges Kalkül hingegen werden Kosten lediglich ausgelagert, zum Beispiel in die Sozialversicherungssysteme. In den Betrieben sei gesamtwirtschaftliches Denken von Nöten.
Teilzeitarbeit: Lösung oder Fluch?
Arbeitszeit hat ganz offensichtlich Auswirkungen auf die Gesundheit. Friedhelm Nachreiner von der
GAWO e.V. erforscht dies seit geraumer Zeit. Die Arbeitszeit sei ein wesentliches Instrument des Arbeitsschutzes. Mit flexibleren Arbeitszeitregelungen
oder abgesicherten Teilzeitmodellen könnte hier durchaus nachgesteuert werden. In den Niederlanden unterstützen Unternehmungsberatungen, wie die
Dèhora, vorgestellt von Ben Jansen, die Umgestaltung der Arbeitszeitorganisation. Dabei geht es nicht nur um eine effizientere Nutzung von Arbeitszeiten, zum
Beispiel die Anpassung an die Produktion, sondern auch zufriedenere Arbeitnehmende. Bei einem Umstrukturierungsprozess werden alle im Betrieb beteiligt. So wird gewährleistet, dass beispielsweise
neue Zeit- bzw. Schichtpläne von allen mitgetragen werden.
Teilzeitmodelle werden in der politischen wie wissenschaftlichen Debatte als Lösung für die zunehmende Arbeitslosigkeit sowie die Verbesserungvon Arbeitsverhältnissen deklariert. Es stellt
sich allerdings die Frage, über welches Segment von Arbeit hier gesprochen wird. Teilzeitarbeit, von der in Deutschland überwiegend Frauen betroffen sind, kann nur eine Lösung sein, wenn man
davon seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Die veraltete Vorstellung des Familienernährers und der lediglich "dazu verdienenden Frau" gehört ad acta gelegt.
Gesamtwirtschaftliches Denken im Zeichen der Krise
Klaus Pickshaus von der
"Initiative gute Arbeit" der
IG Metall stellte fest: "Es ist für uns härter geworden. Wir haben unsere Arbeit ja vor der Krise begonnen."
Doch die Frage, was gute Arbeit ist, bleibt aktuell. Die neoliberale Entwurf "alles was Arbeit schafft, ist sozial" müsse endlich abgelöst werden.
Die Krise könne, laut Pickshaus, in ein "sozialpolitisch sehr interessantes Projekt münden, in dem gemeinsames Handeln, jeder in seiner Verantwortung" möglich sein kann. Das meint
Arbeitgeber ebenso wie Arbeitnehmer und politische Akteure, die nach der Krise die Organisation der Arbeitswelt nachhaltig steuern sollten. Sollen die einzelwirtschaftlichen Kalküle in
langfristiges und gesamtwirtschaftliches Denken münden, dürfen sich Betriebsräte und Beschäftigte nicht einschüchtern lassen. Sie müssen gemeinsam, so Seifert, nach Lösungsansätzen für gesunde
und gerechte Arbeitsverteilung in ihren Arbeitsstätten suchen.