EU-Mythen

Was hinter dem angeblichen Kunstrasenverbot der EU steckt

Delara Burkhardt25. Juli 2019
Angeblich plant die EU ein Kunstrasenverbot. Die Europaabgeordnete Delara Burkhardt klärt auf, was wirklich dahinter steckt.
Angeblich plant die EU ein Kunstrasenverbot. Die Europaabgeordnete Delara Burkhardt klärt auf, was wirklich dahinter steckt.
Seit einiger Zeit kursiert das Gerücht, die EU wolle aus Gründen des Umweltschutzes tausende Kunstrasenplätze in Deutschland verbieten. Weil Fußball bekanntlich der beliebteste Sport der Sozialdemokraten ist, erklärt die SPD-Europaabgeordnete Delara Burkhardt, was wirklich dahinter steckt.

„EU plant Kunstrasenverbot“, „EU schürt Kunstrasen-Panik bei Amateurvereinen“ – so und so ähnlich titeln dieser Tage diverse deutschsprachige Zeitungen. Ob es jemals zu einem Verbot von Kunstrasen-Gummigranulaten durch die EU kommt, ist jedoch fraglich. Solche Überlegungen befinden sich derzeit lediglich in der Diskussionsphase und sind noch längst nicht beschlossen.

Öffentliche Konsultation bis Ende September

Richtig ist, dass die Europäische Chemikalien-Agentur (ECHA) derzeit Vorschläge entwickelt, wie der Einlass von Mikroplastik in die Umwelt reduziert werden kann. ECHA hat einen ersten Bericht vorgelegt, in dem mögliche Maßnahmen zur Reduzierung von Mikroplastik in Erwägung gezogen werden.

Darunter fällt auch die Erwägung, Gummigranulat, welches auf Kunstrasenplätzen verwendet wird, auf die Verbotsliste der sogenannten REACH-Verordnung zu setzen. Zu diesem Thema führt ECHA noch bis September eine öffentliche Konsultation durch. Hier können auch Privatpersonen ihre Meinung kundtun. Erst danach wird sie ihre endgültige Stellungnahme der Europäischen Kommission vorlegen. Ein mögliches Verbot von Kunstrasengummigranulat befindet sich also derzeit lediglich in der Prüfphase.

Verbot in weiter Ferne

Damit ein Verbot tatsächlich in Kraft tritt, müssten die ECHA-Vorschläge zuerst von der Europäischen Kommission aufgegriffen und in Gesetzesvorschläge umgesetzt werden. Danach müssten sich das Europäische Parlament und die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten auf einen gemeinsamen Gesetzestext einigen.

Sollte es dazu kommen, gilt es, verhältnismäßige Maßnahmen zu treffen, etwa dass nur neue Kunstrasenflächen betroffen sind und bestehende Sportplätze Bestandsgarantie genießen. Auch könnte geprüft und diskutiert werden, ob Filteranlagen in Ablaufrinnen die Eintragung von Mikroplastik in die Umwelt vermeiden und so die Weiterverwendung von Plastikgranulat ermöglichen könnte.

Zum Hintergrund

Ein Verbot von Plastikgranulaten auf Sportplätzen kann der Reduzierung des Eintrags von Mikroplastik in die Umwelt dienen. Als Mikroplastik werden gemeinhin Plastikpartikel bezeichnet, die kleiner als 5 Millimeter groß sind. Laut Fraunhofer-Institut stellen Verwehungen von Sport- und Spielplätzen die fünftgrößte Quelle von primärem Mikroplastik dar.

Forscher fanden Mikroplastik in menschlichen und tierischen Körpern. Die größten Mengen fanden sich jeweils im Magendarmtrakt, jedoch waren kleinste Plastikteilchen auch in Blut, Lymphe und sogar in der Leber von Tieren nachweisbar. Die wissenschaftliche Forschung zum Einfluss von Mikroplastik auf die menschliche und tierische Gesundheit steckt noch in den Kinderschuhen. Es gibt aber erste Anzeichen, dass Mikroplastik durch die Begünstigung von Entzündungsreaktionen oder Aufnahme schädigender Begleitstoffe den Magendarmtrakt schädigen können.

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Kommentare

Inkonsistente lobbybest.Rahmensetzung der EU - EU reformieren !

Um nicht falsch verstanden zu werden: Das Verbot gesundheits- und umweltgefährdender Baustoffe inbesondere auch bei Kunstrasenplätzen ist generell richtig. Was aber die EU immer wieder in´s Zwielicht bringt ist das zu unentschiedene, zu langsame u. wenig konsequente Vorgehen ! Während in Sachen Plastikmüll und Mikroplastik in vielen Bereichen noch immer auf freiweillige Lösungen oder nationale individuelle Maßnahmen oder peinlich niedrige "Umweltaufschläge" gesetzt wird, gibt´s eben hie und da Empörung über Einzelmaßnahmen, weil insgesamt der Ernst der Lage ob des zögerlichen Vorgehens der EU (bedingte mglw. auch wegen des übermäßigen Einflusses der Industrie- und Handelslobby) nicht erkannt wird. Niemand freut sich wenn, obwohl die Gesundheitsgefährdung v. Plastikpartikeln seil langem bekannt ist, jetzt erst der Fokus auf Kunstrasenpl. gesetzt wird, nachd. viele von ihnen bereits für teur. Geld gebaut wurden (oft mit Fördermitteln und Steuergeld !) !
Es fehlt eben auch und gerade in der EU an vorausgedachten, nachhaltigen mutigen Entscheidungen, die frühzeitig im Vorfeld die von der Wissenschaft ermittelte Gefährdungslage berücksichtigen ! Der Druck auf die EU wird wachsen !

na denn

ist ja alles gut- und ich hatte schon befürchtet, die Kinder müssten wieder auf Rasen oder Gras spielen.

Schön, dass der Verzicht auf weiteren Kunststoffeintrag nun doch nicht stattfindet. Danke SPD für diese Klarstellung

Gott sei Dank...

...ist es noch nicht so weit! 35 tonnen Kunststoffgranulat pro Sportplatz sind doch nicht erwähnenswert. gut, die laufende Ausspülung erfordert zwar ständiges Nachfüllen, aber das sind doch Peanuts.

Es wäre doch ein Rückfall, wenn unsere Kinder wieder auf Rasenplätzen spielen müssen. Ich bin davon noch heute traumatisiert, haben sich doch sensible Mitspieler in der Jugendmannschaft bisweilen nach Gänseblümchen gebückt oder Bienen nachgeschaut, statt meinen Pass anzunehmen. Ineffizient ist das. Überhaupt, Rasen? Klee und anderes standen auf unserem Dorfsportplatz zwischen den Halmen herum, weil nicht mal gespritzt wurde.

Auch Argumente von "Grünen", wegen CO 2 Bindung etc. sind hinterwäldlerisch, trägt doch Deutschland nur 2% weltweiten Co 2 Ausstoß bei. Gerade mal 19 Millionen tonnen Kunststoff werden in Deutschland produziert, nur 5,45% der weltweiten Produktion. Sollen doch die Anderen mal anfangen.

Und die Arbeitsplätze in der Kunststoffindustrie? Erst 5000 der 50.000 Sportplätze in Deutschland haben Kunstrasen, 45.000 noch nicht. Fast 1,6 Millionen tonnen Granulat könnte wir also noch unterbringen, dafür wären fast 1 Monat die Arbeitsplätze gesichert.

https://ölin.de/kein-kunstrasen-fuer-nottuln

Es ist schade, dass auf der Suche nach dem Highlight des Sommers ausgerechnet der Fußball herhalten muss. Tatsache ist, dass die FIFA und die UEFA die Ligen nach und nach gezwungen haben, Kunstrasen zu verwenden. Das ist kein Zeichen von Nachhaltigkeit, sondern ein Zeichen von anhaltender Dummheit. Wenn selbst der Rasen planwirtschaftlich auf Kunststoff umgestellt werden muss und nach zwölf bis 15 Jahren als Sondermüll aufwändig entsorgt werden darf [natürlich auf Kosten der Vereine], sind es allein die Brüsseler Behörden, die hier versuchen Einhalt zu gebieten. Als wären die früheren Ascheplätze minderwertiger gewesen. Kommunen, Länder und der Bund haben dem Treiben sehenden Auges abgewartet. Ich halte es jetzt schon für einen Mythos, dass die Zuständigen alles getan haben, um die Plastikverschmutzung im großen Stil auf den Sportplätzen zu verhindern. Es wäre besser gewesen, wenn Delara Burkhardt hier für die europäische Sozialdemokratie klar Stellung bezogen hätte, anstatt das übliche Larvieren der SPD zu kopieren. Wenn von der S&D keine kritischen Impulse kommen, von wem denn sonst? Die junge Frau sollte mal freitags bei Fridays for Future mitlaufen. So jung und so barock.

genau das ist der Punkt

wenn es droht, konkret zu werden, dann ist es schon wieder vorbei mit der Ökologie, jedenfalls beim Fussball - da weiß ein jeder, dass man da in Deutschland ganz schnell auf dem Glatteis sich wiederfindet- ökologisch betrachtet ein dickeres Brett. Dann lieber doch Umweltbewusstsein dort , wo es billiger zu haben ist

So wird das nichts SPD- beschafft euch endlich mal Glaubwürdigkeit, oder .....Dieter Nuhr will ich hier lieber nicht zitieren

Fridays for future

Delara Burkhardt war bei zahlreichen Demonstrationen von Fridays for future, sowohl als Teilnehmerin als auch als Rednerin.

Gutmenschen und Doppelmoral

Es gibt zwei Merkmale für eine gelungene Apologetik. Das erste ist, dass jedwede Erwiderung die Vorwürfe inhaltlich aufnimmt und sie zu den eigenen Fundamenten ins Verhältnis setzt. Das zweite ist, dass die Erwiderung persönlich vorgetragen wird.
Unschön ist es, wenn Autor[inn]en etwas in die Welt setzen und postwendend für die Folgen keine Verantwortung übernehmen. Der schlichte Hinweis die Fähigkeit zu besitzen, auf vielen Hochzeiten tanzen zu können verschlimmbessert eher die eigene Positionierung.

Was soll dabei deutlich werden?
Alles kann, nichts muss?
Die deutsche europäische Sozialdemokratie als Chamäleon-artige Baustellenpartei?
Schon mal versucht auf einer Fridays-for-Future Kundgebung Kunstrasen zu vertreten?
Viel Spaß beim Sammeln der Erfahrung!

Die Sozialdemokratie sollte jeden Anschein zu wahren als Lobbyistin der FIFA, UEFA und des IOC zu erscheinen. Gottlob würde Delara Burkhardt nicht gesteinigt werden. Aber Vegetarier[innen] würden mit faulen Eiern werfen und Veganer[innen] mit Tomaten.

Sie meinen also,

es reicht aus, an solchen Veranstaltungen teilzunehmen bzw. dort zu reden ?

Wirklich?

Fridays for future

Ich meine an dieser Stelle gar nichts. Ich habe auf die Aussage „Die junge Frau sollte mal freitags bei Fridays for Future mitlaufen.“ reagiert.

mitlaufen

ist hier das zutreffende Stichwort.

wer mitläuft, ist ein Mitläufer

Fehlende politische Teilhabe bei der Technikfolgenabschätzung

In der Frage der Verwendung von Kunstoffgranulaten und ihre Ächtung im Rahmen der REACH-Verordnung ist die Befragung zu begrüßen, die oben verlinkt wurde. Leider ist sie als Bestandteil einer Technikfolgenabschätzung nicht weiter bekannt, zu fachspezifisch und kommt auch zu spät. Die Technikfolgenabschätzung von Kunststoffen muss im Vorfeld und nicht im Nachhinein unter folgende Prozessschritte gesetzt werden:

Problemdefinition, Beschreibung der Technologie, Erkundung und Beschreibung von Nebenwirkungen der Technologie, Beschreibung der Betroffenen, Voraussage der sozialen und sonstigen Entwicklungen
Bewertungen der Folgen, Analyse politischer Handlungsoptionen und allgemeinverständliche Vermittlung der Resultate. Alle acht Schritte müssen aber mit einem neuen "Public Understanding of Science" unterfüttert werden.

Das heißt konkret, dass alle Prozessschritte von interdisziplinären Gruppen, Interview-Treffen, Café-Seminaren, Bürgergipfel, Bürgerjuries, Bürgeranhörungen, Anhörungen im Parlament, Konsensus und Abstimmungskonferenzen, Zukunft-Panels und Zukunftsworkshops
oder auch anderen Partizipationsmodellen wie Liquid Democracy begleitet werden müssen. Wofür steht die S&D?