Tschechiens EU-Ratspräsidentschaft

Ambitionierte Ziele

Eva Högl05. Februar 2009

Tschechien - im Jahre 2004 der EU beigetreten - folgt Frankreich, das mit Nicolas Sarkozy an der Spitze einen fulminanten Vorsitz an den Tag legte. Die Franzosen wurden dabei mit schwierigen
Krisen konfrontiert: die Folgen des irischen Referendums über den Vertrag von Lissabon, den Krieg an Europas Ostgrenze im Kaukasus und die Finanzkrise, die sich in der zweiten Jahreshälfte 2008
massiv auf die europäische Wirtschaft niederschlug.

Sarkozy offenbarte ein emsiges und selbstbewusstes, bisweilen übermotiviertes Krisenmanagement, war jedoch erfolgreich mit seiner Strategie der Diplomatie und Koordination. Darüber hinaus
konnten im Bereich Klima und Energie richtungweisende Ergebnisse erzielt werden.

Die tschechische Regierung unter Ministerpräsident Mirek Topolánek steht also unter Druck, mit Erfolg an die starke französische Präsidentschaft anzuknüpfen. Doch auch aus dem eigenen Land
droht Ungemach - innenpolitische Differenzen wie dem europaskeptischen Präsidenten Václav Klaus und der instabilen Regierung erschweren der Regierung die Arbeit. Das Programm der Präsidentschaft
Tschechiens erscheint aus diesem Blickwinkel ambitioniert.

Das tschechische Programm - 3Es für Europa

Unter dem Titel "Europa ohne Barrieren" liegen die Prioritäten der Ratspräsidentschaft auf den 3Es - Wirtschaft (Economy), Energie und Europa in der Welt. Eine Hauptaufgabe wird sein, die
Umsetzung des milliardenschweren Maßnahmepakets zur Stärkung der Konjunktur zu koordinieren, das im Dezember 2008 beschlossen wurde. Die Energiepolitik mit der Suche nach einer Balance zwischen
Umweltschutz, Wirtschaftlichkeit und Energieversorgungssicherheit wird ebenfalls einen zentralen Platz einnehmen. Darüber hinaus hat Tschechien sich vorgenommen, die politische Einigung zum
Klima- und Energiepaket vom Dezember in geltendes europäisches Recht umzuwandeln und die Liberalisierung im Gas- und Elektrizitätssektor voranzubringen.

Ganz oben auf der Agenda steht zudem die Aufgabe, den transatlantischen Beziehungen neue Impulse zu verleihen und die Amtsübernahme durch Barack Obama als Chance zu begreifen. Insbesondere
in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik, des Klimaschutzes und der Weltwirtschaft ist eine enge Kooperation mit den USA unerlässlich. Tschechien sieht als ehemaliger Ostblockstaat in der
Stärkung der Europäischen Nachbarschaftspolitik sowie der schrittweisen Heranführung der Westbalkanstaaten an die EU weitere Schwerpunkte seines Vorsitzes.

Erste Hürden der Präsidentschaft

Dass die tschechische Regierung um den konservativen Premier Topolánek ihr Programm nicht einfach punktuell abarbeiten kann, wurde direkt zu Beginn der Ratspräsidentschaft deutlich. Neben
der Finanzmarktkrise steht die Ratspräsidentschaft auch vor außenpolitischen Problemen. Parallel zum Einbruch des Winters in Europa begann der alljährlich wiederkehrende Gasstreit zwischen
Russland und der Ukraine, unter dem besonders die Länder Südosteuropas gelitten haben.

Der Streit zeigte, wie verletzlich Europas Energieversorgung ist. Dass die Energiesicherheit eine hohe Priorität für die tschechische Regierung hat, wird nicht nur in der Betonung des
Themas Energie im Programm offensichtlich, sondern wurde auch bei den Vermittlungsversuchen zwischen Russland und der Ukraine erkennbar. Außenminister Frank-Walter Steinmeier berichtete am 21.
Januar im Europaausschuss des Bundestages während seiner Ausführungen zur tschechischen Ratspräsidentschaft auch über die Entwicklungen im Gasstreit.

Europa hat sich im Gasstreit bewiesen

Es ist ein großer Erfolg für Europa, dass die europäische Solidarität bei der Energieversorgung im Vordergrund stand. Die tschechische Regierung hat zur Lösung des Konflikts einen
wesentlichen Beitrag geleistet und vor allem den Konflikt nicht als einen politischen behandelt, sondern stattdessen den wirtschaftlichen Hintergrund wie die Höhe des Gaspreises und der
Durchleitungsgebühren betont.

Eine weitere außenpolitische Herausforderung zu Beginn war der kriegerische Konflikt zwischen Israel und der palästinensischen Hamas im Gaza-Streifen. Hier war es für die tschechische
Ratspräsidentschaft schwerer, eine einheitliche europäische Linie zu finden.

Auf dem Gebiet der Sozialpolitik sind während der Präsidentschaft Tschechiens nur wenige Fortschritte zu erwarten. Tschechien setzt den Akzent eher auf wirtschaftliche Freiheiten als auf
Arbeitnehmerrechte und soziale Sicherheit. Die SPD und die sozialdemokratischen Parteien in ganz Europa werden hingegen mit der Forderung nach einem sozialeren Europa und sozialen
Mindeststandards in die Europawahl am 7. Juni 2009 gehen.

Ein soziales Europa als Herausforderung

Eine wichtige Frage ist jedoch in den nächsten Wochen zu klären: die Regelungen zur Arbeitszeit, die alle Arbeitnehmer/-innen in ganz Europa betreffen und für fairen Wettbewerb sorgen. Hier
bleibt abzuwarten, ob es der Ratspräsidentschaft gelingt, einen Kompromiss zwischen dem Europäischen Parlament und den Regierungen zu erzielen.

Der Erfolg der tschechischen Präsidentschaft wird auch daran gemessen werden, ob es nach dem negativen Votum der Iren gelingt, den Vertrag von Lissabon zur gültigen Rechtgrundlage zu
machen, damit Europa auch zukünftig handlungs- und gestaltungsfähig bleibt. Tschechien steht als EU-Ratspräsident somit vor großen Herausforderungen, die es zu meistern gilt, damit das Motto
"Europa ohne Barrieren" erfolgreich umgesetzt werden kann.

Eva Högl ist seit 12. Januar 2009 SPD-Bundestagsabgeordnete aus Berlin. Sie ist Mitglied im Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union.

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