Sozialdemokraten sind sich einig, dass Integration eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die "Migranten" und "Einheimische" gleichermaßen angeht. Es ist ferner Konsens, dass Integration
alle Politikbereiche betrifft. Fragen wir aber nach den Defiziten von Integration und Integrationspolitik, beginnt der Dissens. Leider werden in der SPD Integrationsdefizite, die nicht auf
"Diskriminierungen" durch die Aufnahmegesellschaft zurückzuführen sind, weitgehend tabuisiert. Das ist bedenklich - und gefährlich.
Denn es ist eine Tatsache: Bei bestimmten Migranten - vor allem bei Muslimen - gibt es ethnische und kulturelle Prägungen sowie religiöse Orientierungen, welche Integration behindern bzw.
unmöglich machen. Dazu gehören patriarchalisch-autoritäre Familien- und Milieustrukturen, Clanbildung mit teilweise kriminellem Verhalten, Geschlechterapartheid, gepaart mit Zwangsheiraten und
"Ehrverbrechen" sowie religiös-politischer Fundamentalismus, vor allem in islamistischen Ausprägungen.
Rund 40 Prozent der bei uns lebenden 4,3 Millionen Muslime folgen Einstellungen, die eine repräsentative Studie des Bundesinnenministeriums als "religiös-fundamental" bezeichnet. Diese 1,7
Millionen "religiös-fundamental" Orientierten sind sehr religiös, schlecht integriert, zeigen eine auffällige Aufwertung der eigenen und Abwertung anderer Religionen. Sie haben - und das muss für
jeden Demokraten ein Alarmsignal sein! - eine starke Distanz zur Demokratie.
Die Studie ermittelte darüber hinaus eine "Problemgruppe" von 14 Prozent der Muslime in Deutschland. Bei diesen besteht entweder hohe Distanz zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und/oder
hohe Akzeptanz von politisch-religiös motivierter Gewalt. Fast jeder dritte muslimische Jugendliche gehört zu dieser "Problemgruppe".
Eine Mehrheit der Muslime hat keine Schwierigkeiten mit rechtsstaatlicher Demokratie und Pluralismus. Aber die integrationswidrige Radikalisierung einer bedeutenden, wachsenden Minderheit
darf nicht länger ignoriert werden. Verschweigen ist keine Lösung!
Sozialdemokraten sagen, "was ist", so Ferdinand Lassalle. Sie beschönigen und verharmlosen nicht - auch keine Integrationsdefizite. Sie reichen allen Migranten die Hand, die zu unserer
Demokratie stehen. Aber die Gegner der offenen Gesellschaft dürfen Sozialdemokraten nicht gewähren lassen.
Dr. Johannes Kandel ist Politikwissenschaftler. Der Sozialdemokrat arbeitet als Referatsleiter einer politischen Stiftung in Berlin. 2011 ist sein Buch "Islamismus in Deutschland" im
Herder-Verlag erschienen.