Politisches Buch

Warum AfD wählen unglücklich macht

Paul Starzmann03. Januar 2017
Nicht alle Anhänger der AfD sind rechtsradikal – manche wählen die Partei nur aus Protest gegen die aktuelle Politik. Ein grober Fehler, findet der Journalist Stephan Hebel. Denn: Wer AfD wählt, schießt sich ins eigene Knie.

Sie hetzen gegen Muslime und Geflüchtete, wollen aber keine Rassisten sein, keine Rechtsradikalen und schon gar keine Neonazis – viele AfD-Anhänger bestehen darauf, nicht mit klassischen Rechtsextremisten in einen Topf geworfen zu werden. Der Grund, warum sie ganz rechts wählen, sei lediglich ihre Unzufriedenheit mit SPD, Union, Linken und Grünen.

AfD: „Im Kern rassistisch“

Unter den Wählern der AfD gebe es „natürlich auch Menschen mit einem geschlossen rechten bis rechtsextremen Weltbild“, schreibt Stephan Hebel in seinem neuen Buch. „Aber alle sind das sicher nicht.“ Die Weltsicht der AfD sei zwar „im Kern rassistisch“, dennoch will Hebel nicht all ihre Wähler von vornherein aufgeben. Viele seien schlicht frustriert und ließen sich daher von den Rechtspopulisten verführen.

Genau an diese Bürger richtet sich Hebel mit seinem Buch, das er als „Brandbrief“ bezeichnet. Er will sie überzeugen, die Finger von der AfD zu lassen: „Sehr geehrter AfD-Wähler, wählen Sie sich nicht unglücklich“, so der Titel.

„Sparen, Sparen, Sparen“

Hebel zeigt zunächst Verständnis für den Frust derjenigen AfD-Anhänger, die arbeitslos oder prekär beschäftigt sind. Die aktuelle Politik biete in der Tat „genug Anlass zum Protest“, findet er. Nur: Mit der AfD werde alles noch viel schlimmer, ist sich Hebel sicher. Gerade viele der heutigen AfD-Wähler könnten ihr blaues Wunder erleben, sollten die Forderungen der Rechtspopulisten eines Tages Wirklichkeit werden. So wolle die AfD die Vermögenssteuer endgültig begraben und sei strikt gegen Steuererhöhungen für Reiche. Das wirtschaftspolitische Credo des Wahlprogramms laute: „Steuern runter und Sparen, Sparen, Sparen.“ Wer also mehr soziale Gerechtigkeit will, sei bei der AfD nun wirklich an der falschen Adresse.

Ein weiterer Grund, warum heute viele ihr Kreuz rechts der Mitte machen, ist das Reizthema „Islam“. Bekanntermaßen gerieren sich die Rechtspopulisten als Beschützer vor einer angeblichen Bedrohung durch muslimische Zuwanderer. Auch hier gibt Hebel eine deutliche Warnung aus: „Wer behauptet, eine bestimmte Glaubensrichtung gehöre nicht zu Deutschland, darf sich nicht wundern, wenn irgendwann auch die freie Ausübung seiner eigenen Religion infrage gestellt wird.“ Dass die zunehmende Verunsicherung in der Bevölkerung nichts mit Zuwanderung zu tun hat, davon ist Hebel überzeugt. Migranten oder Muslime seien „nur Projektionsfläche“. Wer glaube, eine Partei wählen zu müssen, die gegen Minderheiten hetzt, der verkenne die wahren politischen Probleme und „vergeudet seinen Protest“.

„Lassen Sie die Flüchtlinge in Ruhe“

Hebel arbeitet sich auf rund 60 Seiten an verschiedenen Facetten der rechten Protestpartei ab. Dem Frust und der Panikmache aus dem Lager der AfD setzt er Zuversicht entgegen. Er ist überzeugt, dass die derzeitigen Krisen zu meistern sind – auf keinen Fall jedoch mit den einfachen Rezepten der Rechtspopulisten.

Der Autor will die postfaktische Weltsicht vieler AfD-Wähler durchbrechen. Es ist zu wünschen, dass sich möglichst viele Hebels Argumente zu Herzen nehmen. Wer Freunde oder Verwandte hat, die mit der AfD liebäugeln, sollte das kleine Buch unbedingt lesen – und den Autor vielleicht bei der nächsten Gelegenheit wörtlich zitieren, wenn in den sozialen Netzwerken die Debatte wieder einmal hoch kocht: „Schreiben Sie auf Facebook ruhig gegen Merkel, aber lassen Sie die Flüchtlinge in Ruhe. Die sind nicht schuld.“

Stephan Hebel: Sehr geehrter AfD-Wähler, wählen Sie sich nicht unglücklich! Westend Verlag 2016, 63 Seiten, 8 Euro, ISBN: 9783864891700

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Kommentare

Ins Knie schießen?

Gute Frage. Warum sollte ich mir ins Knie schießen?
Warum sollte ich nochmal eine von den Parteien wählen, die zu Merkels Katastrophenpolitik im Bundestag geschwiegen haben?
Warum sollte ich mich selbst so hassen, dass ich mir das Recht auf Sicherheit in meinem eigenen Land nehmen lasse?
Ich hasse mich nicht. Ich bin Deutscher und ich bin ganz zufrieden damit. Ich denke, ich habe ein Existenzrecht.
Ja, soweit gehe ich. Krass, oder?

Ins Knie schießen

Genau! Herr Albrecht, Sie haben, im Gegensatz zu dieser ehemaligen "Partei der kleinen Leute", verstanden, worum es geht. Die SPD hat beste Chancen, das Projekt "18" bei der nächsten BT-Wahl sogar noch zu unterbieten.

SPD - nix verstanden

Wenn man den Bericht über Stephan Hebels Kampfschrift gegen Andersdenkende liest, denn bekommt man den letzten Beweis, sollte er denn jemals gefehlt haben, dass die SPD und ihr politisches Umfeld nichts, aber auch gar nichts verstanden haben. Da wimmelt es nur so von Phrasen und Kampfbegriffen, die ohne jegliche inhaltliche Begründungen aneinandergereiht werden: "..Sie hetzen gegen Muslime und Geflüchtete...den einfachen Rezepten der Rechtspopulisten..." Wo und wie wird "gehetzt"? Welche "einfachen Rezepte"? Nichts als hohle Phrasen, die nicht belegt werden (können). Schade, denn gerade, wenn es um die Sozial- und Wirtschaftspolitik geht, versucht es der Autor tatsächlich mal mit Fakten. Das zeigt mir zweierlei. In ihrer "Kernkompetenz" traut sich die SPD noch eine sachliche, an Inhalten orientierte Debatte zu. Im Bereich Zuwanderung belässt man es dagegen bei Kampfbegriffen gegen "rechts" und meint, die SPD-Klientel lasse sich dadurch abschrecken, blau zu wählen. Welch eine naive und enge Weltsicht. SPD, nix verstanden!

Siegfried Kegler – nix verstanden

Wenn Sie den Text (oder gar Hebels Buch) aufmerksam gelesen hätten, wäre Ihnen sicher aufgefallen, dass er durchaus mit Fakten argumentiert. Und dass Zitate aus dem Buch mit Anführungszeichen gekennzeichnet sind, hätten Sie möglicherweise auch gemerkt. Aber mit dem Verstehen ist es, wie Sie ja selbst sagen, eben manchmal so eine Sache.

Falsch..

ich bezog mich auf den Bericht über das Buch, den der "Vorwärts" hier anbietet. Zugegeben, man kann darin nicht alle Inhalte des Buches wiedergeben. Aber auch der "Vorwärts" benennt nur Fakten, wenn es um das gute, alte SPD-Thema "soziale Gerechtigkeit" geht. Und genau darin liegt das Problem und das ist meine Kritik. Wenn die SPD nicht endlich auf die Menschen hört und auf das was sie bewegt, und da spielt eben die unkontrollierte Masseneinwanderung und die Frage, wer hier in diesem Land Herr im Haus ist, sehr wohl eine zentrale Rolle, dann wird ihr Untergang nur eine Frage der Zeit sein. Es bleibt dabei: SPD, nix verstanden!

Als es noch Humor in der Politik gab ...

Es ist wohl schon fast 20 Jahre her - damals gab es bei den Grünen noch vereinzelt Intellekt und die Fähigkeit zur Selbstironie - da hatten die Grünen ein Wahlplakat als Persiflage auf die zunehmende Verflachung der Wahlparolen: "Wenn Sie uns wählen, werden Sie reich, berühmt und glücklich." - Heute ist die Selbstironie auch bei der SPD nicht mehr vorhanden. Ihr meint das tatsächlich so.
Der Verlust an Humor ist ein feiner Gradmesser für das Erstarken des Totalitarismus.

Ich werde AfD wählen, weil

Ich werde AfD wählen, weil mir die etablierten Parteien zum Kernthema "Innere Sicherheit" nur falsche Versprechungen machen können. Gegen Terroristen und Vergewaltiger hilft nur der Rechtsstaat mit harten Strafen, nicht eine liberale, sich im Kern dem Islam anbiedernde Politik, die durch eine weichgespülte Kuscheljustiz gestützt wird. Was nützen offene Grenzen, wenn man nur noch unter schwerstem Polizeischutz feiern kann? Davon will niemand etwas wissen. Ausser die AfD, und deshalb wähle ich sie.

Wieviel Mitglieder

Ihrer Familie oder Ihres Umfeldes sind denn schon Opfer der Terroristen geworden? Diese Frage drängt sich mir unweigerlich auf.

"Angebliche" Bedrohung

Wer angesichts der aktuellen Ereignisse und Erfahrungen, sowie der nicht mehr zu leugnenden Zahlen, Sätze schreibt wie, "Bekanntermaßen gerieren sich die Rechtspopulisten als Beschützer vor einer angeblichen Bedrohung durch muslimische Zuwanderer", dem muß für die Unterstützung der sicher bald anlaufenden AfD-Wahlkampagne gedankt werden.

AfD

Alle, die für die AfD plädieren, scheinen wohl deren Programm nicht zu kennen:
Erbschaftssteuer abschaffen,
Rentenalter erhöhen,
Mindestrente senken
sowie andere völlig unsoziale Maßnahmen zugunsten der Millionäre.
Urban Priol sagte zutreffend:
"Man muss nicht zwingend rechts sein, um AfD zu wählen, man muss nur blöd genug sein."

Bitte konkrete Quellen

Sie haben mich mit Ihrem Kommentar schon zu 90 Prozent überzeugt. Könnten Sie mir jetzt bitte noch die konkreten Seitenzahlen aus dem AfD-Programm nennen, auf denen Ihre o.g. Punkte stehen. Ich bin anscheinend zu blöd, das zu finden. Liegt wahrscheinlich daran, dass ich schon einmal AfD gewählt habe. (Oder andersrum) Das AfD-Programm finden Sie unter https://www.alternativefuer.de/programm/

Quellen

Herr Langos,
hier nur mal schnell ein paar der gewünschten Quellen aus dem Parteiprogramm:
Erbschaftssteuer abschaffen: S. 75 bzw. Abschnitt 11.4
Rentenalter erhöhen: S. 42 bzw. Abschnitt 6.4
Mindestrente senken: Ich muss zugeben, hier habe ich auf die Schnelle und vor der Arbeit nichts im Programm gefunden, vielleicht habe ich nicht gründlich genug gesucht. Vielleicht kann Herr Boettel hier etwas nachliefern. Vielleicht reicht Ihnen aber auch schon dieser Link: https://www.welt.de/politik/deutschland/article155962088/Petry-nennt-bru...
Letztlich ist es sowieso auch wichtig, was die Politiker sagen - schließlich sind sie am Ende diejenigen, die das Programm umsetzen oder eben auch nicht.
Was die anderen unsozialen Maßnahmen zugunsten von Millionären angeht, so stehen unter Punkt 11.4 auch einige Beispiele. Aber vielleicht meinte Herr Boettel auch etwas anderes, das überlasse ich ihm, das nochmal zu konkretisieren. Ich wollte nur zeigen, dass man im Parteiprogramm sehr wohl fündig werden kann, wenn man nur will.

Beleidigungen

Ohne Beleidigungen geht es bei Ihnen und Ihrem Mitstreiter Priol wohl nicht. Ich dachte es mir, dass Sie das nicht auf intellektuell anständige Weise hinbekommen...

Ziel sicher?

Ich glaube nicht das ich mein Knie treffe, sollte ich es versehentlich doch treffen, wird es wieder heilen.
Was ich sicherlich nicht möchte, ist mit dem sinkenden Dampfer auf dem Ocean untergehen.

Weimar lässt grüßen

Es wäre ja nicht das erste Mal, das in Deutschland politischen "Rattenfängern" auf den Leim gegangen wird. Es ist schon erschreckend wie mit populistischen Methoden das Erreichte (Frieden, Wohlstand etc.) demontiert wird. Trägt da die Lust am Untergang wieder vergiftete Früchte?
Ich bin nur froh, von der "Gnade der frühen Geburt", zu profitieren!

Warum AfD wählen unglücklich macht

Der ehemalige AfD-Kreisvorsitzende in Salzwedel (Sachsen-Anhalt) René
Augusti hat seinerzeit für die Wiedereinführung der Todesstrafe plädiert, damit die politische Führung "an die Wand gestellt werden kann". Das wurde als emotionale Entgleisung beschönigt.Nein! Das ist die wirkliche Ansicht solcher Zeitgenossen! Der Vorsitzende der Jungen Alternative (JA), Markus Frohnmaier, erklärt: "Ich sage diesen linken Gesinnungsterroristen, diesem Parteifilz ganz klar: Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet, dann wird wieder Politik für das Volk und nur für das Volk gemacht...." Der stellvertretende AfD-Chef, der "gemäßigte" Jörg Meuthen: wir wollen "weg vom links-rot-grün verseuchten 68er-Deutschland." Wer als ehemaliger SPD-Wähler nun der AfD zuneigt, sollte sich fragen, ob dieses das Gedankengut ist, mit dem er sich identifizieren will? Die SPD hat große Fehler begangen, insbesondere mit der Agenda 2010/Hartz IV. Das darf/ muss man von links kritisieren. Die Rechte hat dazu keine Berechtigung! Die Rechte wird genau NICHTS für die 'kleinen Leute' tun. Peter Boettel trifft mit seinem Kommentar vom 04.01.2017/14:15 Uhr den Nagel absolut auf den Kopf. NACHDENKEN!!!

Warum AfD wählen unglücklich macht

Danke, Helmut Gelhardt, eigentlich ist die Zeit zu schade, um auf die dumpfen Parolen der AfD-Anhänger einzugehen, aber Sie haben Beispiele genannt, die allein schon ausreichen müssten, um von einer solchen Partei Abstand zu nehmen.

Falsches Weltbild der AfD entlarven

Es ist falsch, (potentielle) AfD-Wähler als dumm zu bezeichnen. Aber wenn man Menschen ernst nimmt, muss man eben auch deutlich sagen, wenn sie falsch liegen.

Das Problem ist der Unterschied zwischen den objektiven Fakten und der subjektiven Wahrnehmung, die bei AfD-Wählern einfach sehr unterschiedlich sind. Es gab und gibt keine "unkontrollierte Masseneinwanderung", wir haben kein pauschales Problem mit muslimischen Mitbürgern und Meinungen werden auch nicht unterdrückt, wenn sie nicht einem (vermeintlichen) rot-grünen Mainstream entsprechen.

Seriöse Politiker und Medien begehen den Fehler, diese falschen Prämissen der AfD zu akzeptieren, und auf deren Grundlagen einen Diskurs zu führen. Stattdessen muss man aber die völlig falschen Grundannahmen, mit denen die AfD operiert, entschieden zurückweisen.

Die AfD will tatsächlich ein anderes Deutschland, was vor allem weiß, heterosexuell und männlich ist. Dieses Zurück in die einfache, überschaubare Welt der Vergangenheit darf es nicht geben.