Wenn es ernst wird, halten die Rechtspopulisten nicht lange durch. Seit knapp vier Monaten sitzt die „Alternative für Deutschland” im Landtag von Baden-Württemberg. Mit Landespolitik sind die AfD-Abgeordneten zurzeit jedoch nur wenig beschäftigt. Vielmehr verstricken sie sich in interne Grabenkämpfe, ihre Landtagsfraktion hat sich in zwei Teile gespalten, auch die Bundesspitze der Partei mischt kräftig mit in der Schlammschlacht.
Wird sich die AfD selbst entzaubern?
Die Rechtspopulisten hätten „eine große Klappe, solange sie nichts kostet”, sagt die Politikwissenschaftlerin Karin Priester bei der Diskussion über „Flucht und Islam als Mobilisierungsthemen des Rechtspopulismus” in Berlin. Deutschland werde sich jedoch an eine Partei rechts der Union gewöhnen müssen, prognostiziert sie bei der Veranstaltung der „Bundeszentrale für politische Bildung“. Grund zur Sorge sieht die emeritierte Politk-Professorin aus Münster aber nicht: Sobald Parteien wie die AfD in politische Verantwortung kämen, würden sie sich schnell selbst „entzaubern“, meint sie.
Der Journalist Mohamed Amjahid ist dagegen „skeptisch“, ob dies so einfach ist. Es werde „viel vermischt“, wenn es etwa um den Islam in Deutschland geht, sagt er. AfD, Pegida und Co. schürten nicht nur Vorurteile, sie bedienten Verschwörungstheorien und lockten ihre Anhänger mit „erfundenen Realitäten“, wie der angeblichen Bedrohung des Abendlandes durch muslimische Migranten.
Flucht und Islam als „gefundenes Fressen“ der AfD
Der Rechtspopulismus lebe von Feindbildern, vom Protest, erklärt Stefanie Beck, Referentin bei der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. Im Februar 2013 als Anti-Euro-Partei gegründet, habe die AfD schließlich die Themen Flucht und Islam für sich entdeckt. Auch wenn „einmal gerade keine Krise zur Hand“ sei, könnten Rechtspopulisten immer auf weit verbreitete Ressentiments gegen den Islam setzen. Die gesellschaftliche Ausgrenzung von Muslimen werde so zu einem „treibenden Motor“ des Rechtspopulismus.
Die Debatte über den Islam in Deutschland müsse „weg vom hysterischen, emotionalen Ton“, fordert Beck. Geradezu „panisch“ seien manche Autoren rechter Medien, sagt sie. Bei den Lesern von einschlägigen Publikationen wie dem Blog „Politically Incorrect“ ließe dies eine „völlig andere Wahrnehmung der Realität“ entstehen. Vorurteile und Ängste vermischten sich mit einem „stabilen Potential“ an „menschenfeindlichen Einstellungen“.
Differenzieren: leichter gesagt als getan
Von „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“, einem Begriff aus der Soziologie, will die Politologin Karin Priester dagegen nichts wissen. Als zu „moralisierend“ empfindet sie die wissenschaftliche Sammelbezeichnung für Rassismus, Antisemitismus und andere Diskriminierungsformen. „Es ist das Recht jedes Demokraten, gegen den Islam zu sein“, findet Priester und verweist auf die Situation von Frauen und Homosexuellen in vielen islamischen Ländern.
„Es gibt nicht ‚den Islam’ oder ‚die islamische Welt’“, widerspricht Mohamed Amjahid mit Blick auf die vielen Strömungen im Islam und die unzähligen individuellen Auslegungen des Koran. Es dürfe nicht immer pauschalisiert werden, fordert der Berliner Journalist, „auch nicht in Hinblick auf den arabisch-islamischen Raum“. Sein Appell: „Es tut uns gut in der Debatte, wenn wir differenzieren.“
Es geht nicht mit simplen Antworten
Die Diskussion über den Islam wird die deutsche Politik wohl noch eine Weil begleiten – ebenso wie der Rechtspopulismus womöglich auch in den Parlamenten langfristig Fuß fassen wird. Die aktuellen Grabenkämpfe in der AfD seien „nicht der Anfang vom Ende“ der Partei, sagt Stefanie Beck. Das Verhalten der Rechtspopulisten zeige jedoch eins, erklärt Mohamed Amjahid: „Dass es dann doch nicht so leicht geht mit den simplen Antworten.“