Banken verkleinern oder entflechten

Ackermann folgen!

Dietrich Jörn Weder22. Juni 2009

Auch die deutsche Politik kann daraus lernen! - Bund und Länder haben wegen des befürchteten Schneeball-Effektes keine Bank in Deutschland fallen lassen, aber nicht so sehr, weil sie alle zu
groß, sondern mehr weil sie alle miteinander verflochten sind. Warum sonst würde man die Kreditwürdigkeit der allenfalls mittelgroßen IKB erneut mit staatlichen Garantieversprechen über
siebeneinhalb Milliarden Euro stützen, eine Bank, die bereits zehn Milliarden Verlustausgleich aus öffentlichen Töpfen verspeist hat?

Hätte man übrigens die IKB nicht an den Finanzinvestor Lonestar verscherbelt, sondern in Staatshand behalten, gäbe es das neuerliche Problem zweifelnder privater Geldgeber überhaupt nicht.
Verstaatlichung ist - wie bei der Hypo Real Estate praktiziert - eben auch eine mögliche Vorgehensweise, um die verlorene Kreditwürdigkeit von Finanzinstituten wiederherzustellen.

Quellen der Spekulation austrocknen

Doch es gäbe auch andere, umfassende Lösungen, wenn sich die Politik nur an dieselben herantraute. Der Würzburger Ökonom Peter Bofinger hat angeregt, über eine Entflechtung der
Kreditbeziehungen zwischen den Banken nachzudenken, die sich heute vor allem aus so genannten Geldmarkt-Geschäften ergeben. Den kurzfristigen Ausgleich von Überschüssen und Fehlbeträgen der
Geschäftsbanken kann sehr wohl auch die Zentralbank übernehmen, wie sie dies in dieser Krise bereits getan hat. Ohne die gegenseitige Verflechtung kann eine Bank fallen, ohne eine andere mit in
den Abgrund zu ziehen. Die Guthaben der Einleger sind durch die Sicherungsfonds der Branche und die umfassende Staatsgarantie geschützt. Die übrigen Gläubiger müssen wie auch bei einem
Industrieunternehmen sehen, wie sie zu ihrem Geld kommen, oder - besser noch - vorher genauer auf die Bonität ihrer Schuldner schauen.

Der Frankfurter Ethik-Professor Bernhard Emunds möchte noch ein ganzes Stück weitergehen, um die Finanzbranche von den Geldquellen für uferlose Spekulationen abzuschneiden. Die
Kreditvergabe zum Kauf von Finanztiteln oder anderen vorhandenen Vermögenswerten durch Banken sollte unterbunden oder einschneidend erschwert werden. Finanzinstitute sollten nur noch mit solchen
Aktivitäten Geld verdienen, die neue Werte schaffen und zum Wohlstandsniveau der Gesellschaft beitragen.

Im Börsencasino rollen wieder die Kugeln

Alle derartigen Vorschläge hätte man vor der Krise als abstruse gemeindschädliche "Systemveränderung" abgetan. Doch die zaghafte Vorgehensweise der Politik hat die "wilden Hunde des freien
Börsenspiels" (Musil) bisher nicht bändigen können. Schon wieder treiben Spekulanten, darunter große Hedgefonds, die Rohölpreise in die Höhe mit Wetteinsätzen und nur virtuellen Transaktionen,
die den tatsächlichen Warenumsatz um ein zigfaches übertreffen.

Man schlage nur die großen überregionalen Blätter auf: Da werden alle jene Kredit-Derivate und Zertifikate ungeniert weiter angeboten, die die Zockerbanken der Wallstreet ruiniert und den
kleinen Mann um sein Geld gebracht haben. Den Banken bleibt es weiterhin unbenommen, Kredite erst zu vergeben und sie dann, in undurchsichtige Pakete verpackt, meistbietend weiterzuverhökern an
alle, die vor dem Schwarzen Peter darin keine Angst haben. Denn dafür gibt es ja nach wie vor Kreditausfallversicherungen, die selbst wieder zum Spekulationsobjekt werden.

Das ungebändigte Finanzmarktmonster harrt weiter seiner Zähmung. Es möchte im Fallen gestützt, aber in seiner Bewegungsfreiheit nicht beschnitten werden. Da wundert sich das Publikum über
Langmut und Kleinmut der Regierenden, in Europa wie in den USA. Bescheidener Wagemut ist allenfalls im sozialdemokratischen Wahlprogramm zu finden, aber das wird sich Herr Barroso in Brüssel kaum
zu Eigen machen. Doch vielleicht findet Josef Ackermann ja eher Gehör, gerade weil er mit seinem maßlosen Verlangen nach einer 25-prozentigen Kapitalverzinsung an der Wiege der Krise gestanden
hat.

Informationen finden Sie hier:

"Von der Finanzkrise zur Weltwirtschaftskrise. Wie die Krise entstand und wie sie überwunden werden kann."
Analyse zur Wirtschaftskrise, herausgegeben vom
Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der
Hans-Böckler-Stiftung.

Tagungsmaterial zur Veranstaltung "Die Finanzmarktkrise und ihre Folgen":

Prof. Dr. Gustav Horn:
Zur Anatomie der Finanzmarktkrise (pdf)

Prof. Dr. Werner Abelshauser:
Geschichte wiederholt sich nicht. Oder doch? (pdf)


Prof. Dr. Ronald Schettkat:
Die verlorene Unschuld der Geldpolitik (pdf)

Prof. Dr. Gerhard Illing:
Bubbles und systemische Risiken - Herausforderungen für die Geldpolitik (pdf)

Prof. Dr. Sebastian Dullien:
Die Mär vom zu billigen Geld (pdf)

Prof. Dr. Peter Bofinger:
Weltwirtschaft nach der Krise. Wie geht es weiter ? (pdf)

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