Herr Kovce, sind die Schweizer verrückt?
Nein. Die Schweizer sind realistisch. Deshalb haben sie am Sonntag zwar nicht das bedingungslose Grundeinkommen angenommen, aber sich des Themas angenommen. Wir wollten keine Mehrheit erzwingen, sondern ein Thema etablieren. Das ist uns gelungen. Übrigens erwartet eine große Mehrheit – auch jener, die gegen das Grundeinkommen votiert haben –, dass es zu einer weiteren Abstimmung kommen wird. Insofern war die Volksabstimmung ein Erfolg.
Sie sind also nicht enttäuscht über den Ausgang der Volksabstimmung?
Nein. Auch wir sind realistisch. Vor zehn Jahren konnte kaum jemand etwas mit dem Thema Grundeinkommen anfangen. Und wer doch schon einmal etwas davon gehört hatte, hielt es für eine verrückte Idee. Vor fünf Jahren, als wir uns entschieden hatten, eine Volksabstimmung anzustreben, war die große Frage, ob wir es schaffen würden, die dafür notwendigen 100.000 Unterschriften einzusammeln. Und jetzt haben über 500.000 Schweizer für das bedingungslose Grundeinkommen gestimmt. Diese Entwicklung spricht für sich. Doch gerade eine gute Idee braucht Zeit, um sich durchzusetzen, will sie nicht Ideologie werden. Das Grundeinkommen ist eine gute Idee.
Die Diskussion ist in den vergangenen Wochen und Monaten auch über die Grenze nach Deutschland geschwappt. Wie sehen Sie die Chancen für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens hierzulande?
Alle Umfragen, die in den letzten Wochen in Deutschland und auch europaweit angestellt wurden, haben eine recht hohe Zustimmung für das bedingungslose Grundeinkommen zutage gefördert. Wir dürfen allerdings nicht vergessen, dass sich jemand zu einem Thema, über das er nicht abstimmen darf, ganz anders äußert als ein Stimmberechtigter. Die Schweizer Grundeinkommensdebatte hat gezeigt, dass die direktdemokratische Beteiligung der Stimmbürger zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit Themen führt, die der politische Mainstream ignoriert. Volksabstimmungen vitalisieren die Demokratie.
Wie geht es für Sie und die Grundeinkommensinitiative jetzt weiter?
Das Thema Grundeinkommen ist auf dem Tisch. Und das heißt, dass es weiter diskutiert werden wird, weltweit. Wir werden die kommenden Aufgaben sicher nicht verweigern.