Wie weiter SPD?

Zum Abschied ein Brief: Warum ein junger Genosse die SPD verlässt

Robert Kiesel06. Dezember 2017
Mathias Päßler
Mathias Päßler ist Rechtsanwalt und schrieb der SPD zum Abschied einen Brief.
Mit 15 Jahren trat er ein, mit 34 wieder aus: Mathias Päßler hat seiner Partei zum Abschied einen Brief geschrieben. Der Inhalt zeigt: Dem Anwalt liegt etwas an der SPD, auch ohne Parteibuch.

Er hat es sich nicht leicht gemacht: Ein Jahr lang haderte Mathias Päßler mit sich, mit seiner Partei, mit seiner Überzeugung und als Sozialdemokrat, der vor ziemlich genau 20 Jahren in die SPD eingetreten war. Die „Vision einer sozialen, gerechteren Gesellschaft“ habe beide damals verbunden, erinnert sich Päßler heute. Das Band scheint gerissen. Ende November gab Päßler sein Parteibuch zurück, kehrte der SPD den Rücken. Die Gründe dafür hat er in einem Brief zusammengefasst, der Ende vergangener Woche den Weg in die Öffentlichkeit fand.

Wenn Mut und Visionen fehlen

Darin wird deutlich: Es ist nicht die Sozialdemokratie an sich, der Einsatz für gesellschaftlichen Fortschritt bei solidarischer Hilfe für die Schwachen, mit der der in Wiesbaden lebende Rechtsanwalt gebrochen hat. Es ist die Art und Weise, wie die SPD in den zurückliegenden Monaten und Jahren diese Ideale umzusetzen versuchte oder – aus der Sicht von Päßler – eben gerade nicht.

Der wichtigste Punkt des 34-Jährigen: Die Positionierung der Partei in der Klima- und Umweltpolitik. „Mit Gabriels Nein zum Klimaschutzplan fing alles an“, erklärt Päßler, der selbst im Bereich Klimaschutzpolitik gearbeitet hat. Gabriel habe „den Klimaschutzplan in die Tonne geworfen“, schreibt Päßler in seinem Brief und erklärt: „Klima und Naturschutz, Erneuerbare Energien, nachhaltige Wirtschaft sind doch die Themen für die SPD.“ Sie bewegten junge Menschen, seien Themen der Zukunft und brächten, richtig angepackt, viele neue Arbeitsplätze. „Vielleicht ist das nicht der einfachste Weg, aber Du bist früher nie den einfachen Weg gegangen“, so Päßlers Vorwurf an die Partei. Die „Innovationsbereitschaft“, der „Blick in die Zukunft“ und nicht zuletzt „der Mut“ fehlten seiner Partei, so Päßler, der Umweltministerin Barbara Hendricks ausdrücklich von der Kritik ausnimmt.

Kritik: Partei dreht sich um sich selbst

Die Wahrnehmung einer SPD, die nicht nur den eigenen Kompass, sondern auch den der Mitglieder und Anhänger verloren habe, zieht sich durch das gesamte Schreiben Päßlers. „Mir ist über die Jahre immer mehr klargeworden, dass die Partei ein Gremium darstellt, den Status Quo zu manifestieren, statt Visionen für die Zukunft umzusetzen“, sagt er dazu am Telefon resigniert. Zu viel drehe sich um Posten und Ämter, um die Partei selbst, zu oft gerate die Welt um sie herum aus dem Blick, meint Päßler.

Wenig überraschend, dass er sich in seinem Brief auch der laufenden Debatte über den Umgang mit dem Ergebnis der Bundestagswahl widmet. „Am Wahlabend dachte ich noch, dass es vielleicht eine Änderung gibt. Alle wollten in die Opposition, sich neu aufstellen, neue Wege gehen (…). Doch das ist auch wieder Schnee von gestern“, schreibt Päßler. Im Gespräch mit vorwärts.de ergänzt er, die SPD müsse die große Koalition als Ausnahme behandeln und Unterschiede zur Union deutlich machen – beides sei aktuell aus seiner Sicht nicht der Fall.

Bernie Sanders als Vorbild für die SPD

Immerhin: Der Brief, den Päßler weder als Abrechnung noch als Nachtreten verstanden wissen will, schließt versöhnlich. „Ich wünsche mir aus tiefstem Herzen, dass Du es wieder schaffst und Dich aufrichtest, denn Deutschland, Europa und die Welt brauchen eine starke Sozialdemokratie“, schreibt Päßler, der eine Rückkehr in die Partei nicht ausschließt. Ehrlich und gradlinig müsse die SPD agieren, um ihn eines Tages zurückzugewinnen. An Politikern wie Bernie Sanders, der den Demokraten in den USA viele neue, gerade auch junge Anhänger beschert hat, solle sich die SPD ein Beispiel nehmen, schreibt Päßler.

Sein Brief endet, wie es sozialdemokratischer kaum sein könnte, mit einem einfachen „Freundschaft.“

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Kommentare

Paradoxe Intervention

Darf ich den Beitrag als paradoxe Intervention verstehen. Es gibt vielerlei Gründe der SPD beizutreten – ich für meinen Teil tue es, weil ich die Partei nicht denen überlassen will, die sie aus welchen guten Gründen auch immer auf das neoliberale Wirtschaftsgleis manövriert haben und für die man sich schämt, dass sie im Namen der Sozialdemokratie das Wort führen – oft genug selbgefällig und in ihrer aufgesetzten Polemik nur peinlich sind!

Ja, die Partei kann sich stärker auf dem Gebiet des Umweltschutzes profilieren. Ja, die Partei braucht eine Stimme, wie einen Sanders, der in den USA verwortet, was insbesondere jungen Menschen in den USA auf den Nägeln brennt. All die Menschen in unserem Land, die 40%, die nicht vom Aufschwung und vom Wachstum profitieren brauchen ein Sprachrohr, all jene die für unter 20€ Brutto arbeiten, als Journalisten, Musiklehrer usw.

Das einer wie Päßler geht zeigt dass die Partei auf einer schiefen Ebene manövriert wird und ihre Bindungskraft schwächelt. Wer macht da keinen Platz und steht solchen Persönlichkeiten im Weg?

Warum ein junger Genosse die SPD verlässt

Mathias Päßler wird nicht der Einzige sein, der die SPD verlässt, weil viele Hoffnungen gerade der jungen Genossinnen und Genossen enttäuscht werden, sei es beim Klimaschutz, sei es wegen der Freihandelsabkommen, sei es wegen des zu zaghaften Vorgehens für mehr Steuergerechtigkeit oder sei es wegen des Nachgebens gegenüber der CDU/CSU, um nur einige Beispiele zu nennen.

Dies ist wirklich schade, nachdem viele Neumitglieder gerade nach der Nominierung von Martin Schulz mit einem Neubeginn gerechnet hatten, aber dann alles vor sich hin zappelte, ohne konkrete Forderungen, wie mehr soziale Gerechtigkeit hergestellt werden könnte, frühzeitig zu formulieren und damit eine echte Alternative zur bisherigen Regierungspolitik anzubieten.

SPD Neumitglied

Die Argumente des jungen Mannes sind nicht von der Hand zu weisen.Bis auf einige Ausnahmen drehte sich die SPD um sich selbst.Dennoch bin ich als siebzigjährige FRAU nach der verlorenen Wahl eingetreten, um ein Zeichen zu setzen, für meine 5 Kinder, für Veränderung, aus Solidarität mit einer großen Partei , die als einzige gegen Hitler stimmte.

M.Päßler hat recht: die SPD

M.Päßler hat recht: die SPD dreht sich zu oft um sich selbst. Dennoch Veränderung ist nur möglich durch eigenes Handeln .Deshalb bin ich als siebzigjährige Frau nach der verlorenen Wahl in die SPD eingetreten:
für Veränderung, als Zeichen für meine fünf Kinder, und last but not least aus Solidarität mit einer großen Partei, die als einzige gegen Hitler stimmte.

Wie weiter SPD?

Dank an Mathias Päßler für seine offnen Worte, Dank an den Vorwärts,
daß er sich der Diskussion stellt.
Viel, manchmal zu viel wird in der SPD um den richtigen Weg gerungen.
Und dennoch haben wir auch grobe Fehlentscheidungen, s. Agenda 2010, getroffen.
Allzu oft herrscht ein zuviel an "Es allen recht machen wollen".
Wir müssen auch dazu stehen, einigen weh zu tun. Bei der breiten Masse der Normalbürger haben wir es doch seltsamerweise machen können. Nun sind meiner Meinung nach die dran, die bisher verschont blieben. In einer Gesellschaft sind alle gefordert, erfolgt dies nicht, gibt es keinen Zusammenhalt.
Das ist nicht das Bild einer solidarischen Gesellschaft nach sozialdemokratischem Verständnis.

War das Zauberwort der SPD für die Bundestagswahl 2017 nicht "Gerechtigkeit"?
Na, dann lasst uns das doch mal ausbuchstabieren!

Solidarische Grüße
Michael Tepperis

PS: Meine Verhandlungsstrategie wäre: NICHT alle Möglichkeiten offenhalten, eine GroKo sollte man ausschließen. Stattdessen die klare Ansage: "Wir stehen zu unserer Verantwortung. Wir tolerieren", z.B. KoKo.
Eine GroKo geht nur bei Aufgabe der Richtlinienkompetenz der Kanzlerin für bestimmte Themen!

Schade

Das Herr Päßler sich durch Austritt von der SPD abwendet finde ich schade aber nachvollziehbar. Die SPD hat gute politische Konzepte aber keine konsequente Führung um diese durch zusetzen. Es ist jetzt nicht die Pflicht der SPD eine Notstandsregierung mit faulen Kompromissen auf die Beine zustellen. Die Wahlergebnisse haben das deutlich gezeigt.Wir müssen den Menschen klar machen wofür die Sozialdemokratie steht. Soziale Gerechtigkeit und Solidarität und zwar auf allen gesellschaftlichen Ebenen und den Menschen klar machen das Sie die SPD wählen müssen wenn Sie da wieder hinwollen. Wir müssen die Angst nehmen und nicht selber verbreiten. Wenn das unser Parteivorstand und die Deligierten des Parteitages nicht mehr wahrnehmen hat die SPD tatsächlich ein Problem und wir werden noch mehr Genossen wie Herrn Päßler verabschieden. Schade.