Klimabilanz

8,7 Prozent weniger Treibhausgase: Deutschland hält Klimaziel für 2020 ein

Kai Doering16. März 2021
Braunkohlekraftwerk Neurath in Nordrhein-Westfalen: Der Ausstoß von Treibhausgasen sank bei der Braunkohle-Vertstromung im vergangenen Jahr um 23 Millionen Tonnen.
Braunkohlekraftwerk Neurath in Nordrhein-Westfalen: Der Ausstoß von Treibhausgasen sank bei der Braunkohle-Vertstromung im vergangenen Jahr um 23 Millionen Tonnen.
Es ist der größte jährliche Rückgang seit der deutschen Einheit. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 8,7 Prozent weniger Treibhausgase freigesetzt als 2019. Und das liegt nicht nur an der Corona-Pandemie.

Die Bundesumweltministerin hat sichtlich gute Laune als sie am Dienstagvormittag in Berlin vor die Presse tritt. Die Botschaft, die Svenja Schulze verkünden kann, ist schließlich eine gute. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland rund 70 Millionen Tonnen weniger Treibhausgase ausgestoßen als 2019. Das ist ein Rückgang um 8,7 Prozent – „der größte jährliche Rückgang seit der deutschen Einheit 1990“, wie Svenja Schulze betont. Trotz anders lautender Prognosen hat Deutschland damit im vergangenen Jahr sein Klimaziel erreicht.

Etwas getrübt wird die positive Bilanz, wenn man sich die Ursachen für den Rückgang ansieht. So ist ein Großteil der Treibhausgas-Einsparungen im Verkehrsbereich (mit einem Minus von 19 Millionen Tonnen lag der Ausstoß um 11,4 Prozent niedriger als im Vorjahr) darauf zurückzuführen, dass gerade während des ersten Lockdowns weniger Auto gefahren wurde, besonders auf langen Strecken. Bei Inlandflügen wurden auf diese Weise sogar rund 60 Prozent weniger CO2 verursacht.

Klimapolitische Instrumente beginnen zu wirken

„Ohne die Corona-Lockdowns mit den Einschränkungen bei Produktion und Mobilität hätte Deutschland sein Klimaziel für 2020 verfehlt“, gießt so auch Dirk Messner etwas Wasser in den Wein. Er ist Präsident des Umweltbundesamts (UBA), das die Daten für die Klimabilanz erhoben hat. Messner geht davon aus, dass rund ein Drittel der Treibhausgas-Einsparungen auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sind. „Das bedeutet aber auch, dass es zwei Drittel nicht sind.“

„Wir sehen, dass klimapolitische Instrumente zu wirken beginnen“, sagt Messner und nennt insbesondere den Ausbau Erneuerbarer Energien und die CO2-Bepreisung. Letztere führe dazu, dass sich Strukturen veränderten, was zur langfristigen Reduktion von Treibhausgasen führe. Seine große Sorge, dass der Klimaschutz in der Corona-Krise „unter die Räder kommt“ habe sich nicht bewahrheitet, so Messner. Stattdessen sei der eingeschlagene Weg auch unter den erschwerten Bedingungen konsequent fortgesetzt worden. „2019 und 2020 waren wichtige Jahre für die Klimapolitik“, sagt Messner deshalb.

Kohleausstieg führt zu deutlichen CO2-Einsparungen

Die Klimabilanz für das vergangene Jahr ist die erste, die nach den Vorgaben des Ende 2019 in Kraft getretenen Klimaschutzgesetzes erhoben wurde. So ist nach einzelnen Sektoren aufgeschlüsselt, wieviele Treibhausgase dort jeweils eingespart wurden. Den größten Rückgang gab es demnach in der Energiewirtschaft. Sie lag mit rund 38 Millionen Tonnen 14,5 Prozent unter dem Wert von 2019. Den größten Anteil daran hatte demnach ein Rückgang bei der Verstromung von Braunkohle, minus 23 Millionen Tonnen. Die Emissionen aus der Steinkohle-Verstromung sanken um 13 Millionen Tonnen CO2.

Im Sektor Industrie gingen die Emissionen gegenüber dem Vorjahr um knapp neun Millionen Tonnen CO2-Äquivalente oder 4,6 Prozent zurück, im Sektor Landwirtschaft um gut 1,5 Millionen Tonnen (minus 2,2 Prozent) und im Abfallsektor um rund 3,8 Prozent auf knapp neun Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Einzig der Gebäudebereich riss die Vorgabe des Klimaschutzgesetzes. Zwar gab es 2020 auch hier eine Emissionsminderung von gut drei Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten (minus 2,8 Prozent). Mit 120 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten überschritt der Gebäudesektor aber die ihm zustehende Jahresemissionsmenge, die bei 118 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten liegt. Hier muss nun das Bundesbauministerium einen Katalog mit Sofortmaßnahmen vorlegen, damit die Vorgaben für 2021 eingehalten werden.

Anreize für mehr Klimaschutz im Konjunkturpaket

Aus Sicht von Bundesumweltministerin Svenja Schulze gibt es deshalb „keinen Grund zum Ausruhen“. Mit dem schrittweisen Kohleausstieg, dem CO2-Preis, dem Ausbau von Wind und Sonne, der Förderung der Elektromobilität und dem Europäischen Green Deal „steht Deutschland vor einem Jahrzehnt des offensiven Klimaschutzes“. Das im vergangenen Sommer auf den Weg gebrachte Konjunkturprogramm zur Bewältigung der Corona-Krise setze hier auch die richtigen Anreize. „Die Bundesregierung sollte jetzt schon das geplante Ausbautempo für Wind- und Sonnenstrom in diesem Jahrzehnt verdoppeln.“

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Kommentare

Milchmädchen

Wie ja in diesem Artikel gerne zugegeben wird ist der Rückgang des CO2 Ausstoßes weniger den klimapolitischen Maßnahmen geschuldet als dem Corona-Lockdown. Vergessen wir auch nicht, der jetzige Winter ist bissiger als der von 2020; es wird zu viel auf den Verkehr gezeigt, aber was ist mit Heizen ? Gerade da fehlt es noch an einer konsistenten Strategie und da ist das Potential groß.
Mit Emissionen von Schrnsteinen und Aufpüffen läßt sich leicht rechnen, aber was ist mit den CO2 Emissionen durch die Degradation von Humus als Folge der kapitalistischen Produktionsweise in er Landwirtschaft. Wieviel CO2 zusätzlich wurde frei durch das Trockenfallen von Sümpfen und Mooren wegen der Dürren ? Von Methan und Lachgas reden wir schon gar nicht. Wir müssen das GroßeGanze beachten und ürfen nicht danach schielen kleinere Verbesserungen im industriellen Bereich als Wahlkampfhilfe für Politiker:::innen oder Parteien zu gebrauchen. Dazu ist die Sache mit dem Klimawandel zu ernst.