Interview mit EVG-Chef Burkert

Wie das 49-Euro-Ticket auch zum Erfolg für die Beschäftigten wird

Carl-Friedrich Höck15. Dezember 2022
Das 49-Euro-Tickets soll im kommenden Jahr in ganz Deutschland gelten
Das 49-Euro-Tickets soll im kommenden Jahr in ganz Deutschland gelten
Das 49-Euro-Ticket werde nur ein Erfolg, wenn die Beschäftigten mitgenommen werden. Davon ist der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG, Martin Burkert, überzeugt. Langfristig müssten Bus und Bahn kostenfrei werden.

Bund und Länder haben sich auf die Einführung des 49-Euro-Tickets geeinigt. Ist das aus Sicht der Beschäftigten eine gute oder eine schlechte Nachricht?

Wir begrüßen, dass sich Bund und Länder auf die gemeinsame Finanzierung des 49-Euro-Tickets geeinigt haben – zumindest für das nächste Jahr. Insgesamt geht es darum, den Öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) attraktiver zu machen. Wir als EVG möchten langfristig einen kostenfreien ÖPNV. In Luxemburg oder Estland gibt es das schon. Wir müssen, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, auf den öffentlichen Nahverkehr und vor allem auf die Schiene setzen. Dafür braucht es nicht nur günstigere Tickets, sondern wir müssen auch insgesamt in den ÖPNV-Ausbau investieren, vor allem im ländlichen Raum.

Welche Effekte erwarten Sie für den Nahverkehr – wird es ähnlich volle Züge geben wir im vergangenen Sommer, als es das 9-Euro-Ticket gab

53 Millionen verkaufte Tickets, wie beim 9-Euro-Ticket, wird es nicht wieder geben. Trotzdem werden wir im Januar noch einmal mit Bundesverkehrsminister Volker Wissing sprechen, um aufzuzeigen, dass auch die Beschäftigten mitgenommen werden müssen. Das war beim 9-Euro-Ticket nicht der Fall. Im Gegenteil: Das hat zu massiven Überbelastungen geführt.

Was muss aus Sicht der Mitarbeiter*innen konkret passieren, damit das 49-Euro-Ticket ein Erfolg wird?

Es braucht geregelte Dienstpläne und mehr Personal. Beim 9-Euro-Ticket haben viele Beschäftigte wochenlang kein Wochenende mehr frei bekommen. Gleichzeitig hat allein die Deutsche Bahn AG 800 Leih- und Zeitarbeiter*innen reingeholt. Daraus müssen jetzt feste Arbeitsplätze werden.

Benötigt wird auch mehr Material, also ein größerer Wagenfuhrpark. Und das Material muss robuster werden. Wenn es mehr Fahrgäste gibt, werden die Waggons, Rolltreppen und Aufzüge stärker belastet. Das 9-Euro-Ticket hat dazu geführt, dass die Wagen sehr frühzeitig wieder instandgesetzt werden mussten. Besonders in Hotspots wie Berlin war zu beobachten, dass sich lange Schlangen an den Aufzügen bildeten, weil die Rolltreppen durch die Dauerbelastung kaputtgegangen waren und es keine anderen barrierefreien Zugänge mehr zu den Bahnsteigen gab. Da muss man nachbessern.

Künftig setzt der Bund den Preis fest und damit die finanziellen Rahmenbedingungen – umsetzen müssen das aber die verschiedenen Nahverkehrsunternehmen. Mit wem werden Sie künftig sprechen, wenn Sie Verbesserungen für die Beschäftigten erreichen wollen?

Zunächst muss nach sechs Monaten evaluiert werden, ob die Finanzierung des 49-Euro-Tickets ausreichend ist. Gerade jetzt sollten wir aber auch darüber reden, ob wir insgesamt zu viele Aufgabenträger im Nahverkehr haben und ob wir sie künftig noch in dieser Größenordnung brauchen. Damit sind auch Kosten verbunden, die man in den ÖPNV stecken könnte.

Es darf außerdem nicht dazu kommen, dass im Nahverkehr Leistungen abbestellt werden. Das wäre ein klimapolitischer Totalschaden. Und wir brauchen, was das Personal angeht, eine Aufwertung des gesamten Busdienstes – auch des Berufsbildes Busfahrer*in. Man bekommt nämlich kaum noch welche. Die Deutsche Bahn AG wird wegen des neuen Baustellenmanagements massiv Schienenersatzverkehr brauchen. Die dafür nötigen Busse und Fahrer*innen fehlen in Gänze. Wir haben hier einen Fachkräftemangel.

Können die Verkehrsunternehmen denn überhaupt bessere Arbeitsbedingungen schaffen, wenn gleichzeitig der Preis für die Tickets gedeckelt wird?

Das ist die Problematik. Deshalb müssen wir schauen, dass der Verkehr nicht ausgedünnt wird. Sonst drängen sich die Leute, die sonst in zwei Bussen fahren, in einen Bus. Das darf nicht passieren.

Im Februar nächsten Jahres haben wir Tarifverhandlungen. Dort werden wir nicht nur über Löhne sprechen, sondern auch über die sogenannten weichen Themen, also attraktive Arbeitsbedingungen. Das fängt bei der Altersversorgung an und reicht bis zum Wohnen – wir brauchen Dienstwohnungen, damit sich auch in Ballungsräumen wie München die Beschäftigten noch eine Wohnung leisten können. Auch Betriebskindergärten gehören zu einer modernen Arbeitswelt.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser will sich für mehr Sicherheit im Nahverkehr einsetzen – vor allem für Frauen. Ist das auch für die Beschäftigten ein wichtiges Thema?

Als EVG haben wir schon vor langer Zeit gehandelt und „Ruf Robin“ eingeführt. Das ist ein Hilfetelefon für alle Beschäftigten in der Eisenbahnbranche, dort erhalten sie auch psychologische Betreuung. Leider finden jeden Tag Übergriffe auf Beschäftigte statt, verbale und auch handgreifliche. Dazu kommt die Situation in den Fußball-Sonderzügen, die ist dramatisch und belastet Frauen in besonderer Weise. In Zügen vom Oktoberfest ist nach 20 Uhr keine Zugbegleiterin mehr dabei und auch in Fußballzügen versucht man, keine Frauen mehr reinzusetzen. Dass man da aufseiten der Bundesregierung etwas tun will, ist richtig.

Was kann die Politik konkret verbessern?

Ein großes Thema ist die Maskenpflicht in den Zügen des Nah- und Fernverkehrs. Sie führt immer wieder zu Auseinandersetzungen. Viele Fahrgäste können nicht verstehen, warum sie in Flugzeugen keine Maske mehr tragen müssen, aber im ICE. Hier braucht es eine Gleichberechtigung der Verkehrsträger. Jetzt haben einige Bundesländer die Maskenpflicht abgeschafft, darunter Bayern. Dort gehen die Leute sogar mit Corona zur Arbeit. Wir haben in Deutschland einen Flickenteppich an Regeln, der nicht mehr nachvollziehbar ist. Das ist nur ein Beispiel. Leider hat die Gewaltbereitschaft in unserem Land auch ganz allgemein zugenommen. Das bekommen diejenigen zu spüren, die im Kundenkontakt sind, in den Zügen und auch in den Bussen.

*Die EVG vertritt alle Berufsgruppen und Beschäftigten in Unternehmen der Verkehrsbranche – darunter Eisenbahner*innen, Servicekräfte und Busfahrer*innen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der DEMO

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Kommentare

DB AG Struktur

Leider kritisiert C-F Höck nicht die gegenwärtige Struktur der DB AG denn die wirde von Mehdorn, Steinbuck etc. auf Privatisierung getrimmt um dem neoliberalen Paradigma zu entsprechen, natürlich mit enormen Vorstandgehältern, Boni und auf der anderen Seite Personalabbau. Früher gab es einen Staatssekretär für die BAhn mit entsprechendem Gehlat aber keine Vorständler mit Millionengehältern.
SOZIALDEMOKRATISCHE POLITIK wäre diesen ganzen Privatisierungsmist rückabzuwickeln.

DB AG Struktur

Das Ganze ist eine ganz traurige Geschichte. Die DB AG ist ein Konzern mit zig Tochtergesellschaften, die sich sogar gegenseitig behindern, alle mit hoch bezahlten Vorständen, Aufsichtsräten, teilweise hohen Verlusten bei Auslandsgeschäften, die dann durch Haushaltsmittel, sprich Steuergelder, wieder ausgeglichen werden müssen.
Der Bundesrechnungshof kritisiert seit Jahren dieses Gebaren der Bahn und das unterlassene Tätigwerden des zuständigen Ministeriums unter den unfähigen Skandalministern Dobrindt und Scheuer, wobei deren Nachfolger Wissing wohl auch nicht besser zu sein scheint, wenn er weiter Autobahnen bauen will statt sich um die Bahn zu kümmern.

Ich habe in mehreren Seniorenkonferenzen Referate über Stuttgart 21 und die DB AG gehalten und sehe mich durch die neusten Zwischenfälle und Probleme bei der Neubaustrecke immer wieder aufs Neue bestätigt. Den Stuttgarter Hbf werde ich, sollte er überhaupt gebrauchsfähig fertiggestellt werden, ab diesem Zeitpunkt meiden.

Die unnötig verplemperten Milliarden Euro hätten besser zur Förderung ausreichenden Personals, in Streckensanierungen, funktionsfähigen Zügen etc. verwendet werden müssen!