Ab 1. Oktober

12 Euro Mindestlohn: Wie die SPD ihr zentrales Wahlversprechen einhält

Kai Doering26. September 2022
Versprochen. Gehalten. Zum 1. Oktober wird der Mindestlohn in Deutschland auf zwölf Euro erhöht.
Versprochen. Gehalten. Zum 1. Oktober wird der Mindestlohn in Deutschland auf zwölf Euro erhöht.
Die Erhöhung des Mindestlohnes auf zwölf Euro war eines der großen Versprechen der SPD im Bundestagswahlkampf. Zum 1. Oktober wird es eingelöst. Doch das reicht den Sozialdemokrat*innen nicht.

Am Montag steht ein großes Plakat aus dem vergangenen Bundestagswahlkampf im Atrium des Willy-Brandt-Hauses in Berlin. Olaf Scholz ist darauf zu sehen und der Satz zu lesen „Jetzt 12 Euro Mindestlohn wählen“. Um kurz vor halb zwölf treten die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil, Generalsekretär Kevin Kühnert und Fraktionschef Rolf Mützenich hinter dem Plakat hervor. Olaf Scholz muss kurzfristig wegen einer Corona-Infektion passen. Esken und Klingbeil bringen einen großen gelben Aufkleber auf dem Plakat an. „Versprochen. Gehalten.“ steht darauf.

„Die SPD hat sich durchgesetzt.“

„Die Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro ist eines der großen Versrechen der SPD im Bundestagswahlkampf gewesen“, erinnert Generalsekretär Kühnert kurz darauf in einer Pressekonferenz. Es sei aber auch verbunden gewesen mit einem weiteren Versprechen von Olaf Scholz, nämlich den Mindestlohn im ersten Jahr seiner Amtszeit als Bundeskanzler zu erhöhen. Beide Versprechen werden nun eingelöst. Ab dem 1. Oktober wird in Deutschland ein Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde gezahlt.

„Darauf sind wir in der SPD stolz“, betont Kevin Kühnert am Montag. Die Partei zeige damit, „dass die Themen, mit denen wir in den Wahlkampf ziehen, Priorität genießen“. Und noch etwas hebt der SPD-Generalsekretär hervor: Die Erhöhung des Mindestlohnes wurde „eins zu eins“ umgesetzt. Es habe keinerlei Kompromisse in der Ampel-Koalition gegeben. „Die SPD hat sich dabei auch gegen starke Unternehmensverbände durchgesetzt“, sagt Kühnert und erinnert auch an die „heldenhafte Enthaltung“ der Unionsfraktion, als die Erhöhung des Mindestlohnes Anfang Juni im Bundestag auf der Tagesordnung stand.

Ziel ist eine höhere Tarifbindung

Allerdings sagt Kühnert auch, zwölf Euro Mindestlohn seinen „nicht der erstrebenswerte Lohn für möglichst viele Beschäftigte, sondern eine Untergrenze“. Von der werden jedoch nach Erhebungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung Millionen Menschen profitieren. „Der höhere Mindestlohn stabilisiert die Einkommen am untersten Rand der Einkommensverteilung. Davon werden sehr stark auch Frauen profitieren“, sagte WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch im Juni, als der höhere Mindestlohn im Bundestag beschlossen wurde. Besonders stark wirke er dort, wo keine Tarifverträge gelten und die Löhne besonders niedrig sind.

Damit will sich die SPD aber nicht zufriedengeben. Entscheidend sei, dass die Tarifbindung in Deutschland wieder deutlich gestärkt werde. Diese ist seit Jahren rückläufig. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden zuletzt nur 44 Prozent der Beschäftigten in Deutschland nach Tarifvertrag entlohnt. Für 47 Prozent der Beschäftigten in West- und für 55 Prozent der Beschäftigten in Ostdeutschland gab es demnach keinen Tarifvertrag. „Unser Kampf für höhere Löhne, mehr Tarifbindung und Tariftreue geht unvermindert weiter“, heißt es deshalb in einer am Montag beschlossenen Resolution des SPD-Präsidiums.

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Kommentare

ja, versprochen gehalten, wenn auch

die Inflation alles wieder zunichte gemacht hat. Was gestern 12€ waren, sind heute 15€.

„... sind heute 15€.“

Max Freitag unterstellt eine Inflation von 25% - die offizielle Statistik gibt aber nur eine Verteuerung von unter 10% an. Dennoch befürchte ich, dass er richtig liegt, wahrscheinlich sogar noch zu optimistisch geschätzt hat: Wer mit 12€ Stundenlohn auskommen muss, muss sein ganzes Einkommen für Wohnung, Heizung und Lebensmittel ausgeben (– für ihn gilt der statistische Warenkorb nicht). Nach meinen täglichen Beobachtungen sind die Preissteigerungen für Energie und Lebensmittel mit 50% noch (deutlich) zu niedrig angesetzt!

Der Mindestlohn hätte ein Lebenszeichen für die SPD sein können, wenn wir nicht das „sehr erfolgreiche deutsche Wirtschaftsmodell“ mutwillig aufgegeben hätten: „billige (russische) Energie und Vorleistungsgüter importieren, hochwertige Produkte in die Welt exportieren und von der Globalisierung profitieren“ (Wirtschaftswoche, 28.9.).

Was werden wir im Gedächtnis behalten - die Erhöhung des Mindestlohnes oder unsere Verarmung durch Aufgabe unseres „sehr erfolgreichen deutschen Wirtschaftsmodells“? Die Hilfspakete können die Folgen unserer Sanktionen jedenfalls nicht annähernd auffangen!

Ist die SPD auch Stolz auf die Verhinderung des Mindestlohns?

2002 als Grüne&SPD die Bundesregierung bildeten, stellte die PDS-Bundestagsfraktion (Drucksache Nr.: 14/8921 vom 25.04.2002) den ersten Antrag auf die „Einführung eines existenzsichernden gesetzlichen Mindestlohns“. Der wurde von Grünen&SPD abgelehnt. Dann dauerte es geschlagene 12 Jahren, bis es einen gesetzlichen Mindestlohn gab und der war lausig niedrig. Mit der Agenda 2010 und Hartz-IV sorgten übrigens Grüne&SPD erst dafür, dass es so viele Bürger im Niedriglohnsektor gab, worauf die SPD damals Stolz war, wie man nachlesen kann.