Feierstunde iim Bundestag

100 Jahre Frauenwahlrecht: Warum wir heute ein Paritätsgesetz brauchen

Vera Rosigkeit17. Januar 2019
Der Bundestag feiert den 100. Jahrestag der Einführung des Frauenwahlrechts mit einer Gedenkstunde. Doch auch nach einem Jahrhundert ist die Gleichstellung von Frauen noch nicht erreicht. Die ehemalige SPD-Bundesministerin Christine Bergmann fordert deshalb ein Paritätsgesetz.

Vor einhundert Jahren durften Frauen in Deutschland das erste Mal wählen. Ein hart erkämpftes Recht und ein Durchbruch für Demokratie und Menschenrechte, sagt die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth am Donnerstag bei einer Feierstunde des Bundestages zum 100. Jahrestag der Einführung des Frauenwahlrechts.

Marie Juchacz und ihre ausgezeichnete Rede

Erinnert wird an die Rede der SPD-Abgeordneten Marie Juchacz, die am 19. Februar 1919 vor der Weimarer Nationalversammlung die erste Rede einer Frau in einem deutschen Parlament hielt. Juchacz sei „alles andere als eine betuchte Frau“ gewesen, sondern nach heutigen Maßstäben eine „Ungelernte, eine angelernte Fabrikarbeiterin“, erklärt Süßmuth.

Dennoch habe sie eine ausgezeichnete Rede gehalten. „Bitte, unterschätzen wir die Menschen nicht, da steckt so viel drin“, fordert Süßmuth. Die Gegenwart hält sie noch nicht für befriedigend, jetzt seien weitere Schritte gefragt. Die Anzahl der Frauen im Bundestag sei seit 1998 rückläufig und liege derzeit nur noch bei knapp 31 Prozent. Auf regionaler und kommunaler Ebene sei der Anteil noch weit geringer: Für sie laute die drängendste Frage deshalb: Wie bekommen wir wieder mehr Beteiligung von Frauen?

Frauenrechte sind Menschenrechte

Die ehemalige Bundesfrauenministerin Christine Bergmann greift diesen Gedanken auf: Neben 14 Ministerpräsidenten regieren lediglich zwei Ministerpräsidentinnen in Deutschland, auf neun Oberbürgermeister komme gerade einmal eine Oberbürgermeisterin. Nur dort, wo Parteien eine verbindliche Quote festgelegt haben, seien Frauen auch angemessen in Parlamenten und Regierungen vertreten, betont sie.

Doch zuvor erinnert auch sie an die Verdienste der Frauenbewegung, die sich im Kampf um das Stimmrecht der Frauen bereits im 19. Jahrhundert einen Namen gemacht hätten. Stellvertretend nennt sie Minna Cauer, Louise Otto Peters und Hedwig Dohm. Letztere prägte mit dem Satz, Menschenrechte haben kein Geschlecht, auch das Bewusstsein dafür, dass Frauenrechte Menschenrechte seien. In ihrer Rede schlägt Bergmann einen Bogen, der auch die unterschiedlichen Realitäten von Frauen in Ost- und Westdeutschland einschließt.  

Ein Einverständnis ihres Mannes, arbeiten gehen zu dürfen, habe sie als Bürgerin der DDR nicht gebraucht, erzählt sie. Frauen in der Bundesrepublik benötigten dies jedoch noch bis 1977. „Fröhlich vereint waren Ost und West allerdings an dem Punkt, dass Familienarbeit den Frauen vorbehalten war“, fügt sie lächelnd hinzu.

Brauchen ein Paritätsgesetz

Und heute: „Antifeministische Meinungen werden offen von den Rechtspopulisten vertreten“, so Bergmann. Die Sehnsucht nach den „guten, alten Rollenbildern“ lebe wieder auf, leider nicht nur bei Männern. Auch die „#metoo-Debatte“ mache deutlich, dass es wieder salonfähig werde, Frauenrechte und Chancengerechtigkeit infrage zu stellen. Sie zeige aber auch, dass sich Frauen zu wehren wüssten.

„Wir müssen aufpassen, dass der Zug nicht rückwärts fährt“, warnt Christine Bergmann. Die Gleichstellung der Geschlechter sei zwar ein Verfassungsauftrag, selbstverständlich sei die Umsetzung jedoch nicht. Bergmann fordert eine Wahlrechtsreform und damit eine Parität bei der Listenaufstellung und den Direktmandaten, kurz: ein Paritätsgesetz.In zehn europäischen Ländern sei dies bereits Realität. Und sie ruft die Frauen dazu auf, sich zu mobilisieren und zu solidarisieren: „Schließlich wollen wir vor den strengen Blicken unserer Vorkämpferinnen, die es so viel schwerer hatten, bestehen.“

#mehrfrauenindieparlamente

Und steht damit nicht alleine: Mit dem Aufruf: „Mehr Frauen in die Parlamente!“ (#mehrfrauenindieparlamente) startet der Deutsche Frauenrat am Donnerstag seine Kampagne für Parität in der Politik. Darin werden alle demokratischen Parteien aufgefordert, sich für eine Wahlrechtsreform einzusetzen, damit Männer und Frauen künftig je zur Hälfte in den Parlamenten vertreten sind – sowohl bei Listen- als auch bei Direktmandaten. Für Elke Ferner, Vorstandsmitglied des Frauenrats und ehemalige ASF-Vorsitzende, ist die „gleichberechtigte Teilhabe in den Parlamenten in erster Linie eine politische Frage. Wenn der politische Wille vorhanden ist, sind auch rechtliche Änderungen möglich. Die Beispiele in anderen Ländern zeigen das.“

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Kommentare

La Loi sur la parité

Auch wenn es richtig war, dass Wolfgang Schäuble von "Frau Bundeskanzler" sprach. Alles andere wäre tautologisch gewesen. Er hat die historische Chance verpasst, Claudia Roth den Vortritt zu lassen. Schade ist es auch, dass die Weiß-Blusen-Aktion nur von den Sozialdemokratinnen getragen wurde.

Es hätte im Vorfeld mit den Christdemokratinnen, Den Linken, den Freidemokratinnen und Den Grünen durchaus konzertierter vorbereitet werden können. Wenn auch prozentual wenig Bewegung in die Geschlechterparität gekommen ist, so ist sie absolut immer noch mehr als aus der Wahl vom 19.01.1919 resultierend. Die Frage nach einem Paritätsgesetz ist also auch eine Frage der partei- und fraktionsübergreifenden Zusammenarbeit.

Hierfür sollen sich die Frauen und Männer ausreichend Zeit nehmen, aber die deutsche Sozialdemokratie sollte einen solchen Entwurf noch in dieser Legislaturperiode einbringen. Es wäre sehr schade, wenn der hundertste Jahrestag des aktiven und passiven Frauenwahlrechts nur dazu genutzt werden würde, Geschichtsfolklore zu betreiben und alles andere beim Alten bliebe. Das Gender Mainstreaming muss innerparteilich, parlamentarisch und privatwirtschaftlich durchgesetzt werden.

da haben wir

gerade die Zweiteilung der Geschlechtlichkeit überwunden- die Ämter müssen "Sonstig" eintragen in die Papiere- und hier schreit alles nach Parität.

Mein Gott- Denkt doch bitte einmal nach, bevor hier so ein beliebiges Gephrase rausgehauen wird. Parität muss neu definiert werden, oder die Intersexualität ist so schnell verschwunden, wie sie rechtlich definiert wurde.
Ist es das, was die SPD will? Wirkklich?

Zwang, weil es die Menschen nicht wollen.

So funktioniert Diskrimminierung!

Jede Frau hat die Möglichkeit, sich für ein politisches Amt aufzustellen. Jede Frau hat die Möglichkeit, andere Frauen zu wählen. Wenn dies heutzutage nicht geschieht, dann liegt dies nicht an einer frauenfeindlichen Gesellschaft, sondern daran, dass sich Frauen politisch nciht durchsetzen können - weil sie einfach nicht gewählt werden. Hierfür gibt es etliche Gründe!

Ein Paritätsgesetz ist die Diskrimminierung von Männern und die Aushöhlung demokratischer Prinzipien.

Peinlichkeiten

Derartige Jubiläen können bei näherer Betrachtung auch etwas peinlich anmuten. !
Denn: Hundert Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechtes gilbt es was die Gleichstellung und den paritätischen Anteil von Männern und Frauen in Partei (bis in die Niederungen !) anbelangt einiges an Rückständigkeit zu beklagen !
Gegen die seit Jahrzehnten aufgebauten testosterongesteuerten Männernetzwerke,die quer durch die Politik in die Wirtschafts- und Lobbywelt reichen, haben es die (Gott sei Dank !) weit weniger aggressive femininen Politikvertreterinnen strukturbedingt unsäglich schwer.
Und genau dies.. Umstand ist eine Gefahr für unsere Gesellschaft und gefährdet, etwas weiter gedacht, nicht nur unsere Demokratie, sondern unter dem Strich gar unsere Lebensgrundlagen !!
Hier hat nicht nur unser Parlament sond. inbesondere unsere Partei, enormen Nachholbed. und sollte sich nach dem Feiern, was die Gleichstellung anbelangt umgehend, an die Arbeit machen (Quote und Änderung von Wahlrecht und Kandiadat/inn/en- Aufstellungspozedur !!
Sonst wird es peinlich wie b. Jubilääum des 100-jährigen 8-Stunden-Tages, nach dem in pcto. Arbeitszeitverkürz. auch nur heisse Luft von unseren Parteivord. kam !

SPD hätte mit gutem Beispiel vorangehen müssen!

Dann würde es keinen Bundespräsidenten Johannes Rau gegeben haben, sondern eine (sozialdemokratische) Frau als erste Bundespräsidentin.

Dann wählte die SPD gar Herrn Gauck zum Bundespräsidenten.

Und schliesslich Herrn Steinmeier.

Nichts als verpasste Chancen.

Wahlrecht

Ja, im Zuge der Novemberrevolution wurde auch das aktive und passive Frauenwahlrecht eingeführt.
Aber vergessen wir nicht, daß gleichzeiteg dieses in den meisten Teilen des Deutschen Reiches für Männer eingeführrt wurde. In Meckelnburg gab es vorher gar kein Wahlrecht und in den meisten deutschen Teilstaaten gab es ein Klassenwahlrecht.
Es wurden da Fortschritte erzielt, nicht nur für Frauen sondern auch für Männer.
Festzustellen ist, daß je agrarfeudaler ein Staat strukturiert was und je größer der Einfluss der Kirchen war desto später wurde weltweit das Frauenwahlrecht eingeführt. Aber auch in D haben Frauen oft die schlechter bezahlten Arbeitsplätze und genau das ist eben auch ein verbliebenes Erbe der feudalpatriarchalischen Ordnung. DIe gilt es eben immer noch restlos zu überwinden.