Wofür die „Identitäre Bewegung Deutschland“ wirklich steht
Ihre Aktionen dauern nur wenige Minuten, von der Außenwirkung zehren sie Monate: Mitglieder der „Identitären Bewegung Deutschland“ (IBD) platzieren politische Statements im Stile von Überfallkommandos und jagen diese durch die sozialen Netzwerke. Jüngstes Beispiel ist die zeitgleiche Besetzung zweier Balkone des Willy-Brandt-Hauses in Berlin und der Parteizentrale in Hamburg. In beiden Fällen entrollten IBD-Aktivisten Transparente mit einwanderungsfeindlichen Parolen, fotografierten und filmten die Aktion und waren noch vor dem Eintreffen der Polizei wieder verschwunden.
Besetzung der „Identitären Bewegung“ erreicht Tausende User
Während erste Bilder und Videos der Aktion lediglich die eigene Klientel erreicht haben dürften, griffen den Identitären wenig später ausgerechnet die von ihren Anhängern verhassten „Systemmedien“ unter die Arme. Spiegel-Online, Stern und Frankfurter Rundschau berichteten über die „Besetzung der SPD-Zentrale durch Rechtsextreme“. Die Strategie maximaler Außenwirkung bei minimalem Aufwand war aufgegangen.
Das Etikett „rechtsextrem“ jedoch weisen Vertreter der Gruppe offiziell stets von sich. Sie verstehen sich vielmehr als Teil einer intellektuellen Rechten; als Avantgarde, die mit dem offenen Rassismus von NPD und Co scheinbar nichts am Hut hat. „Wir sind die erste freie, patriotische Kraft, die sich aktiv und erfolgreich für Heimat, Freiheit und Tradition einsetzt“, heißt es auf der Internetseite der „Identitären Bewegung Deutschland“. Ihr Anführer schwadroniert in einem Interview gar davon, die IBD wolle der „Funke zur Entfachung eines Flächenbrands“ sein.
Alte Forderungen in neuem Gewand
Davon jedoch ist die „Identitäre Bewegung Deutschland“ derzeit weit entfernt. Erstmals im Oktober 2012 in Erscheinung getreten, beschränken sich ihre Aktivitäten bislang nahezu ausschließlich auf das Internet. Das von der IBD propagierte Prinzip des Ethnopluralismus („Jedem Volk sein Land, jedem seine Freiheit!“) unterscheidet sie nur auf den ersten Blick von klassischen Forderungen der extremen Rechten. Die Angst vor „Überfremdung“ und „Multikulti-Wahn“ ist in offiziellen Verlautbarungen der Gruppe allgegenwärtig. Auf ihrem Facebook-Profil findet sich mit der Formulierung „Bewahrung unseres ethno-kulturellen Erbes!“ hinter dem Stichwort „Aufgabe“ die weichgespülte Variante vom Erhalt eines reinrassigen Volkskörpers rechtsextremer Kräfte.
Was die „Identitäre Bewegung“ tatsächlich unterscheidet ist das Durchschnittsalter ihrer Anhänger. Die IBD versteht sich als aktionistischer Jugendbund und hat insbesondere die 18- bis 30-Jährigen im Blick. Zu beobachten war das zuletzt Anfang Juni in Wien. Dort hatte die wesentlich aktivere Gruppe der Identitären in Österreich unter dem Motto „Zeichen für unser Land, gegen Multikulti und gegen den großen Austausch“ zu einer Demonstration aufgerufen. Aufnahmen zeigen einen beinahe ausschließlich aus jungen Männern bestehenden Zug. Aus Deutschland kamen nach IBD-Angaben knapp 80 der insgesamt 350 Teilnehmer.