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„Verfickter Judenschädel“: Der Hass auf die SPD in Bocholt

Die Gewalt gegen Politiker nimmt zu, erst recht wenn sie mit klaren Standpunkten in der Öffentlichkeit stehen. Jüngstes Opfer ist Thomas Purwin. Der Vorsitzende der SPD-Bocholt wurde mit dem Tode bedroht, kann sich jedoch der Solidarität seiner Partei sicher sein.
von Robert Kiesel · 10. Oktober 2016
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Die Absage des SPD-Parteitags in Bocholt am vergangenen Freitag sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Was war der Auslöser dafür?

Auslöser war eine Mail, die ich in der Nacht vom Montag auf den Dienstag bekommen habe. Darin drohten mir die anonymen Verfasser damit, mir meinen „verfickten Judenschädel abzuhauen“. Daraufhin habe ich meine erneute Kandidatur für den Vorsitz der SPD-Bochholt zurückgezogen und nach Rücksprache mit dem Vorstand wurde der Parteitag schließlich ganz abgesagt.

War das die erste Drohung in dieser Form?

Nein. Die ersten Hassmails gingen schon Ende November 2015 ein. Sie richteten sich gegen unseren Bürgermeister und gegen den Kämmerer von Bocholt. Beide haben sich zu jener Zeit intensiv für die Unterbringung von Flüchtlingen eingesetzt. „Wir wollen euch vergasen“ lautete eine der Drohungen. Die erste Drohung gegen meine Person kam vor etwa zwei Wochen bei mir an.

Wie erklärst Du dir den Hass?

Ich bin viel auf Facebook unterwegs, beziehe klar Stellung. Außerdem versuche ich ständig, unsere Politik in Bocholt zu erklären, bin präsent. Das gefällt offenbar nicht allen.

Gibt es Erkenntnisse dazu, wer hinter den Drohungen steckt?

Bislang nicht. Zwar haben wir alle Fälle angezeigt und dem Staatsschutz übergeben, der oder die Täter konnten bislang aber nicht identifiziert werden. Für mich steht aber fest, dass die Täter aus der Region kommen. Sie kennen sich in der Kommunalpolitik vor Ort gut aus.

Wie geht es dir jetzt, eine Woche nach der anonymen Morddrohung?

Besser! In den vergangenen Tagen kamen unzählige Mails, Briefe, Anrufe, unter anderem von Sigmar Gabriel, Hannelore Kraft und André Stinka. Ich habe viel Solidarität und Unterstützung erfahren, auch von den Jusos in Nordrhein-Westfalen. Als ich deren Aktion gesehen habe, standen mir die Tränen in den Augen. All das zeigt mir, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Die Gewalt gegen Politiker allgemein nimmt zu. Was sagt das über die politische Kultur in Deutschland?

Das ist ein klares Zeichen der Verrohung der Gesellschaft. Besonders schlimm sind die Attacken aus der Anonymität heraus. Direkte Kritik auf der Straße kann ich beantworten, kann darauf eingehen. Anonyme Attacken, ob verbal oder körperlich, sind für mich auch ein Zeichen der Respektlosigkeit gegenüber gewählten Vertretern.

 

Anmerkung der Redaktion: Unmittelbar nach der Absage des SPD-Parteitages in Bocholt aufgrund der Morddrohung gegen Thomas Purwin kündigte Parteichef Sigmar Gabriel an, persönlich auf dem nächsten Parteitag der SPD-Bocholt aufzutreten. Laut Thomas Purwin wird dieser voraussichtlich im Januar/Februar 2017 stattfinden.

Autor*in
Robert Kiesel

war bis März 2018 Redakteur des vorwärts.

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