Inland

Wie unabhängig sind Staatsanwälte?

Die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand von Generalbundesanwalt Range hat die Frage nach der Stellung von Staatsanwälten ausgelöst. Warum Staatsanwälte nicht unabhängig sind und sich Range bei seinen Angriffen auf Justizminister Maas schief ausgedrückt hat.
von Christian Rath · 6. August 2015
Justiz
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"Auf Ermittlungen Einfluss zu nehmen, weil deren mögliches Ergebnis politisch nicht opportun erschient, ist ein unerträglicher Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz." Mit diesen Sätzen griff Generalbundesanwalt Harald Range am Dienstag Morgen seinen Minister Heiko Maas an. Dieser wies die Vorwürfe zurück und entließ Range noch am gleichen Abend. Doch kann sich Range als Staatsanwalt wirklich auf die Unabhängigkeit der Justiz berufen?

Richtig unabhängig sind in Deutschland nur die Richter. Jeder einzelne Amtsrichter ist unabhängig von Weisungen der Politik oder seiner Vorgesetzten. Er entscheidet nur nach seiner Rechtsauffassung. Er kann sich dabei an den Vorgaben höherer Gerichte orientieren, muss es aber nicht. Ein vermeintlich "falsches" Urteil kann nur korrigiert werden, indem der Betroffene Rechtsmittel einlegt und die höhere Instanz dann anders entscheidet. Gerichtspräsidenten haben nur Verwaltungsaufgaben, Einfluss haben sie allenfalls über Personalbeurteilungen. Wenn ein Richter aber nicht befördert werden will, ist er völlig unabhängig. Manche Richter bleiben daher ihr Leben lang Amtsrichter.

Staatsanwälte sind nicht unabhängig

Der einzelne Staatsanwalt ist dagegen überhaupt nicht unabhängig. Er ist in eine straffe Hierarchie eingebunden und muss die Weisungen seiner Vorgesetzen befolgen. An der Spitze jeder Staatsanwaltschaft steht ein Leitender Oberstaatsanwalt, der sich auch in einzelne Fälle einmischen kann. Darüber wiederum wachen die Generalstaatsanwälte, die jeweils für einen OLG-Bezirk zuständig sind. Auch sie können Weisungen geben.

Und über den Generalstaatsanwälten stehen die Landesjustizminister, die ebenfalls weisungsbefugt sind. Früher konnten die Minister die Generalstaatsanwälte sogar ohne jeden Grund entlassen, denn diese galten als politische Beamte. Das haben in den letzten 15 Jahren alle Bundesländer abgeschafft. Das Weisungsrecht aber blieb. Schließlich ist die Staatsanwaltschaft nicht nur Teil der Justiz, sondern auch der Exekutive. Im Zweifel trägt der Justizminister die Verantwortung. Er
muss im Parlament und in den Medien Rede und Antwort stehen.

Dialog statt Weisung ist die Praxis

Faktisch machen die Minister vom Weisungsrecht aber kaum Gebrauch. In NRW gibt es sogar eine Selbstverpflichtung des Justizministeriums, dieses Instrument nicht zu nutzen. Gesteuert wird dann aber subtiler - über Berichtspflichten, über gutgemeinte Ratschläge und fachliche Einschätzungen. Auch der Generalbundesanwalt ist weisungsgebunden und sogar noch politischer Beamter. Wenn sich Harald Range auf die Unabhängigkeit der Justiz beruft, ist das also nicht so ganz korrekt.

Ironie der Geschichte: Justizminister Maas macht Range ja seine "Unabhängigkeit" gar nicht streitig. Maas besteht nicht darauf, dass er Range anweisen durfte. Maas besteht vielmehr darauf, dass es gar keine Weisung gegeben hat. Und zeigte sich empört darüber, dass Range dennoch von einer Weisung sprach und dies zudem als "unerträglichen Eingriff" bezeichnete.

In der Praxis hat sich eigentlich ein gutes Gleichgewicht eingespielt. Die Justizminister in Bund und Länder halten sich zurück und steuern eher im Dialog als von oben nach unten. Weisungen sind in der Öffentlichkeit in der Regel unpopulär, insbesondere wenn es um politische Interessen geht. Deshalb verzichten die Minister fast generell darauf. Manchmal entsteht in der öffentlichkeit aber auch der Eindruck, ein Staatsanwalt hat sich vergallopiert, so wie Range mit seinen Landesverrats-Ermittlungen gegen Journalisten. Dann kommt schnell der Ruf nach politischer Kontrolle auf. Und dann ist es auch ganz gut, dass schnelle Kontrolle möglich ist.

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Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent.

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