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Thomas Losse-Müller: Von der Weltbank in die Staatskanzlei

Für die Weltbank beriet er Regierungen auf der ganzen Welt. Bei der Landtagswahl am Sonntag will Thomas Losse-Müller für die SPD die Staatskanzlei von Schleswig-Holstein zurückerobern. In der hat er bereits einige Jahre Politik gemacht.
von Kai Doering · 6. Mai 2022
Thomas Losse-Müller will Ministerpräsident von Schleswig-Holstein werden.
Thomas Losse-Müller will Ministerpräsident von Schleswig-Holstein werden.

Thomas Losse-Müller erlebt gerade viele erste Male. Die erste Kandidatur für ein politisches Mandat. Das erste Fernseh-Triell. Und natürlich den ersten Wahlkampf als Spitzenkandidat. Seine erste Marktplatz-Rede hält Losse-Müller wenige Tage nach seinem 49. Geburtstag Anfang April. Bei strömendem Regen betritt er mit einem kräftigen „Moin!“ eine Bühne in der Lübecker Altstadt. Es ist der Wahlkampfauftakt der SPD Schleswig-Holstein. Noch ein Monat bis zur Landtagswahl am 8. Mai.

Im dunklen Anzug mit roter Krawatte, das Sakko geöffnet und ohne irgendwo abzulesen, spricht Losse-Müller über das Versagen der Jamaika-Koalition in der Klimapolitik, über sein Vorhaben, mehr Wohnungen zu bauen und darüber, jeder Schülerin und jedem Schüler ab der 8. Klasse einen Laptop oder ein Tablet zur Verfügung stellen zu wollen. „Wir haben schon mal an einem 8. Mai gewählt“, erinnert er schließlich sein durchnässtes Publikum. Am 8. Mai 1988 gelang es der SPD mit Björn Engholm an der Spitze, die CDU-Vorherrschaft in Schleswig-Holstein nach Jahrzehnten zu brechen. „Ihr seid damals angetreten mit dem Anspruch, das Land aufzuklaren“, sagt Losse-Müller an den inzwischen 82-jährigen Engholm gewandt, der vor ihm im Publikum sitzt. „Wir wollen das Land modernisieren.“

Berater für Regierungen weltweit

Als seine Spitzenkandidatur feststand, habe er Engholm in Lübeck besucht, erzählt Thomas Losse-Müller später auf der Fahrt nach Eckernförde. Die Kleinstadt an der Ostsee ist das Herz seines Wahlkreises. Mit seiner Frau und den beiden Töchtern wohnt Losse-Müller in einem Dorf im Umland. Seine Frau ist hier aufgewachsen. Es sei ein mehrstündiges Gespräch gewesen, erinnert sich Thomas Losse-Müller an das Treffen bei Engholm. Der sagt über ihn: „Er besitzt enorme Kompetenzen und regional, national und international erworbene Erfahrungen, die nur wenige haben. Ein riesiges Pfund für unser Land.“

Der studierte Volkswirt Losse-Müller arbeitete bei der Deutschen Bank in London, später bei der Weltbank in Washington. Er beriet Regierungen in aller Welt. „Die Rolle als Experte hat mir gut gefallen“, sagt er. In Washington wurde er Mitglied der Grünen und gründete einen Auslandsortsverein mit. „Ich wollte den Kontakt zur deutschen Politik nicht verlieren“, sagt Losse-Müller. In der US-Hauptstadt hätte es einige Grüne in seinem Umfeld gegeben. So sei eins zum anderen gekommen.

Von den Grünen zur SPD

2012 holte ihn Schleswig-Holsteins neue Finanzministerin Monika Heinold als Staatssekretär nach Kiel. Losse-Müller kehrte mit seiner Familie nach Deutschland zurück. Zwei Jahre später wurde er Leiter der Staatskanzlei von SPD-Ministerpräsident Torsten Albig. „Als Staatssekretär habe ich Politik gelernt“, sagt Losse-Müller. So verhandelte er 2015 das bundesweite Asylpaket mit. Die Landesregierung aus SPD, Grünen und SSW verfügte damals einen Abschiebestopp für Menschen aus Afghanistan. Ministerpräsident Albig legte sich da-rüber mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière an. Dass er sich einige Jahre später selbst als Ministerpräsident bewerben würde, hätte Thomas Losse-Müller damals nicht geglaubt. Seine frühere Förderin Monika Heinold ist als Spitzenkandidatin der Grünen nun eine direkte Konkurrentin, auch wenn er nach wie vor „eine herzliche Verbindung zu den Grünen“ habe.

„Nach der verlorenen Landtagswahl 2017 war ich raus“, sagt Losse-Müller. Er beriet Unternehmen, etwa wie sie die Herausforderungen der Energiewende meistern. „Ich nehme das Wort Transformation sehr ernst“, sagt Thomas Losse-Müller. Im Oktober 2020 trat er bei den Grünen aus und ein halbes Jahr später in die SPD ein, weil sie es sei „die gesellschaftlichen Zusammenhalt -organisiert“. In der „Denkfabrik“ der Partei, einer Gruppe von 17 Expert*innen, die Ideen für Schleswig-Holstein über die Tagespolitik hinaus entwickeln soll, arbeitete er da bereits mit. Die Landesvorsitzende Serpil Midyatli hatte ihn eingeladen. Sie war es auch, die ihn schließlich fragte, ob er sich die Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl vorstellen könne – für viele im Land eine Überraschung, auch für Losse-Müller selbst. „Es hat sich aber total richtig angefühlt“, erinnert er sich. „Ich fühle mich bereit dafür.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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