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Frankreich: Kandidatur im Zeichen der Versöhnung

Manuel Valls will für die Präsidentschaftswahl im nächsten Jahr kandidieren. Der Sozialist muss dabei versuchen, seine zerstrittene Partei hinter sich zu bringen.
von Christine Longin · 6. Dezember 2016
Manuel Valls
Manuel Valls

Die Pariser Vorstadt Évry hatte Manuel Valls sich für die Bekanntgabe seiner Präsidentschaftskandidatur ausgesucht. Ein Ort, der Symbolkraft hat, denn der 54-Jährige war dort elf Jahre lang Bürgermeister und regierte zusammen mit Grünen und Kommunisten. Was Valls damals auf lokaler Ebene gelungen ist, soll nun auch im ganzen Land klappen: die Vereinigung der linken Kräfte. Zunächst muss der frühere Premierminister, der am Dienstag zurücktrat, aber seine Sozialisten hinter sich bringen. Dass er es will, machte er in seiner 20-minütigen Ansprache deutlich, die mit dem Satz endete: „Ich will das zum Sieg führen, was uns eint.“

„Valls ist der Doppelgänger von Hollande“

Erstaunliche Worte aus dem Munde eines Mannes, der eher als Spalter bekannt ist. „Mit eingezogenen Krallen war Manuel Valls nicht mehr erkennbar. Voll guten Willens, aber aseptisch, sanft wie ein Lamm, kein Wort lauter als das andere“, kommentierte die Zeitung „Le Monde“ den Auftritt des einstigen Innenministers, der in der Regel kein Blatt vor den Mund nimmt. „Valls ist der Doppelgänger von Hollande geworden.“ Der unbeliebte Staatschef hatte vergangene Woche überraschend auf eine erneute Präsidentschaftskandidatur verzichtet und damit den Weg für seinen Regierungschef frei gemacht, der seine Ambitionen zuletzt immer deutlicher gezeigt hatte.

Ob Hollande Valls damit einen Dienst erwies, muss sich erst noch zeigen. Denn dem gebürtigen Katalanen, der erst mit 20 Jahren die französische Staatsbürgerschaft annahm, werden in Umfragen nur neun bis elf Prozent in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr vorhergesagt. Der Grund: Gleich mehrere Kandidaten gehen für das linke Lager ins Rennen. Neben dem Bewerber der Sozialisten, der im Januar in Vorwahlen bestimmt wird, kandidieren Jean-Luc Mélenchon für die Linkspartei und der frühere Wirtschaftsminister Emmanuel Macron als parteiloser Bewerber. Beide liegen derzeit in Umfragen vor dem sozialistischen Kandidaten.

Ex-Minister Montebourg als starker Rivale

Macron, der seit 2009 kein sozialistisches Parteibuch mehr hat, hofft, nach dem Rückzug Hollandes auch diejenigen zu gewinnen, die den Präsidenten unterstützten und in dem ehrgeizigen Valls einen Verräter sehen. Kein Wunder also, dass Valls in seiner Ansprache nicht mit Spitzen gegen den Jungstar sparte: „Ich habe nie der Versuchung des Individualismus nachgegeben“, sagte er beispielsweise an seinen Rivalen gewandt, der ähnlich sozialliberale Positionen vertritt wie er selbst.

Doch Valls hat nicht nur den parteilosen Macron zum Gegner, sondern auch die eigene Parteilinke, für die gleich vier Bewerber ihren Hut in den Ring geworfen haben. Aussichtsreichster Widersacher ist der frühere Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg, dem Umfragen unter der linken Wählerschaft allerdings nur 25 Prozent Zustimmung vorhersagen gegenüber 45 Prozent für Valls. „Ich weiß nicht, ob Manuel Valls links ist“, stichelte Montebourg nach der Bekanntgabe der Kandidatur des früheren Regierungschefs. Dabei hatte sich Valls in seiner Ansprache bemüht, vor allem den linken Parteiflügel anzusprechen. „Ich will, dass die Arbeiter nicht unter der Globalisierung leiden und ihre Würde zurückgewinnen“, sagte der Sozialist, der 2002 bereits für den damaligen Regierungschef Lionel Jospin Wahlkampf gemacht hatte.

Allerdings hatte der Hobbyboxer gerade die Parteilinke, die er nun umwirbt, jahrelang vor den Kopf gestoßen. So bekannte er im Sommer 2014 vor dem Arbeitgeberverband Medef offen: „Ich liebe die Unternehmen“. Unvergessen ist auch seine Forderung nach dem Ende der 35-Stunden-Woche, die vor allem die ehemalige Arbeitsministerin Martine Aubry dauerhaft verärgerte. Von zwei „unversöhnbaren“ Linken sprach Valls selbst noch im Februar. Nun will der Kandidat das versöhnen, was er selbst gespalten hat. Bis zum 22. Januar bleibt ihm dafür nur wenig Zeit.

Autor*in
Christine Longin

Christine Longin begann ihre journalistische Laufbahn bei der Nachrichtenagentur AFP, wo sie neun Jahre lang die Auslandsredaktion leitete. Seit vier Jahren ist sie Korrespondentin in Frankreich, zuerst für AFP und seit Juli für mehrere Zeitungen, darunter die Rheinische Post.

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