Nach Ende des Kalten Krieges schien der "Schwarze Kontinent" in Vergessenheit zu geraten. Weder die Vereinigten Staaten von Amerika, noch die Europäische Union schienen ein besonderes Interesse an dem Erdteil.
Mit der gescheiterten Mission in Somalia zogen sich die Vereinigten Staaten von Amerika aus Afrika zurück, die Europäische Union orientierte sich ostwärts. Die wichtigsten externen Akteure drehten dem Kontinent den Rücken zu.
Nur die Volksrepublik China nutzte die Chance in die Lücke vorzustoßen. Um ihren Rohstoffhunger zu stillen, allen voran beim Öl, auf der Suche nach neuen Absatzmärkten für chinesische
Billigprodukte und für neue Mehrheiten in internationalen Organisationen machte sie den afrikanischen Staaten den Hof. Seit der Konferenz von Bandung im Jahr 1955 - mit Ausnahme der Zeit der
Kulturrevolution - engagierte sich die Volksrepublik kontinuierlich und in den letzten zwanzig Jahren mit zunehmender Intensität.
Heute unterhält China mehr diplomatische Vertretungen auf dem afrikanischen Kontinent als die Vereinigten Staaten von Amerika. Jedes Jahr reist der chinesische Ministerpräsident in die
Region, sein Land gehört zu den größten Truppenstellern für Friedensmissionen. Die Volksrepublik hat zahlreiche Kulturinstitute gegründet und leistet schätzungsweise zwei Milliarden Dollar an
Entwicklungshilfe - ohne politische Konditionen.
Und genau das unterscheidet das chinesische Engagement von dem Amerikas und Europas. Ob im Sudan, in Simbabwe oder in der Demokratischen Republik Kongo (DRC) - Menschenrechte, Demokratie
und Rechtstaatlichkeit in Afrika spielen für den Handel und die Entwicklungszusammenarbeit mit China keine Rolle. Insbesondere im Sudan, dessen Präsidenten Omar al Bashir vom Internationalen
Strafgerichtshof wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesucht wird, stieß die Volksrepublik in das Vakuum vor, das USA und EU mit ihren Handelssanktionen hinterlassen hatten. Die
Volksrepublik konnte so das Monopol in der sudanesischen Ölförderung erobern - und unterminiert die westliche Strategie, auf Präsident Bashir Druck auszuüben, sich einem strafrechtlichen
Verfahren zu stellen und die Menschenrechte zu achten.
Der Wissenschaftler Philipp Gieg betrachtet in seinem Buch "Great Game um Afrika?" das Engagement der USA, der EU und Chinas in seiner gesamten Bandbreite - von der Sicherheitspolitik über
die Handelsbeziehungen bis hin zur Entwicklungshilfe. Er untersucht, ob sich durch das starke Engagement der Volksrepublik neue Konflikte zu den traditionell starken Akteuren USA und EU in Afrika
ergeben, ob ein "Great Game" - ein Wettkampf um Einfluss und Rohstoffe - begonnen hat.
Gieg ist der Meinung, dass sich im Wettbewerb um afrikanisches Öl chinesische und amerikanische Interessen eher ergänzen. Denn die Chinesen engagieren sich nur, wo die Amerikaner aufgegeben
haben. Beide Akteure hätten ein Interesse an Ordnung und Stabilität in Afrika, um ihren hohen Bedarf an Rohstoffen zu decken. Gieg konstatiert jedoch die Unterwanderung westlicher Forderungen
nach Demokratie und Menschenrechtsschutz durch die Asiaten. Die Volksrepublik China schirme die afrikanischen Diktatoren in internationalen Gremien wie dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen
ab und schütze sie vor einer politischen Isolation - zum Leid der afrikanischen Bevölkerungen wie das Beispiel Simbabwe zeigt.
Allerdings verlöre auch China mit dieser Politik international zunehmend an Ansehen, so Gieg. Er prognostiziert, dass die Volksrepublik hier umschwenken wird, um bei den Menschen in Afrika
aber auch international besser aufgestellt zu sein. Insgesamt verzeichnet der Autor allerdings nur geringe Chancen für den "Schwarzen Kontinent." Die Volksrepublik beschere dem Kontinent zwar
eine stabile Einkommensquelle, jedoch überschwemme sie ihn auch mit ihren Billigprodukten und gefährde hunderttausende Arbeitsplätze. Afrika brauche ein arbeitsintensives Wachstum, das die
Staats- und Regierungschefs gestalten müssen, so Gieg, derzeit begeben sie sich jedoch nur in neue Abhängigkeiten.
"Great Game um Afrika?" ist ein gleichzeitig spannendes und informatives Buch, das die gesamte Bandbreite des Engagements der drei Großmächte in Afrika sorgfältig nachzeichnet. Der Aufstieg Chinas zu einem wichtigen außenpolitischen Akteur in Afrika wird systematisch und jenseits sensationsheischender Schlagzeilen analysiert, wenn auch manchmal etwas unkritisch. Zudem gibt der Autor Empfehlungen, wie im Rennen um Afrikas Rohstoffe die Afrikaner selbst nicht auf der Strecke bleiben.
Gieg, Philipp (2010): Great Game um Afrika? Europa, China und die USA auf dem Schwarzen Kontinent, Nomos-Verlag, Baden-Baden, 140 Seiten, 29,- €.
arbeitet als freier Autor mit Schwerpunkt Afrika, Lateinamerika und Naher Osten.